Man nehme eine Prise Rollenspiel (RPG), zwei Esslöffel Idle-Game, eine Handvoll Minispiele und würze das Ganze mit einer großen Portion schrägem Humor – fertig ist "Cauldron" für PC, das neueste Werk des Indie-Studios SleepyDad Games. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein niedlicher Zeitvertreib für zwischendurch, entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als eine erstaunlich tiefgründige Spielmischung mit Suchtpotenzial – und überraschender sozialer Substanz. Wir haben uns durch die witzige Welt voller Monster, Minispiele und Magie geklickt – und verraten, warum dieser Hexenkessel ein echter Geheimtipp ist.
Im Zentrum von "Cauldron" (unter 14 Euro, Demo ist gratis) steht die junge Hexe Nyx, die sich – wie es sich für eine ordentliche Heldin gehört – ganz alleine auf eine gefährliche Reise begibt. Die Welt liegt im Schatten der Dunkelheit, überall wimmelt es von bizarren Kreaturen und chaotischen Herausforderungen. Begleitet wird sie von Blinkie, einem pinken Geister-Begleiter mit der Zunge eines Stand-up-Comedians und dem Temperament einer Duracell-Batterie auf Energy-Drink. Ziel: Ressourcen sammeln, neue Verbündete gewinnen, die Welt heilen – oder auch nicht. Denn Cauldron ist nicht nur ein RPG, es ist ein Spiel der Entscheidungen.
Spieler können sich als friedliebende Kräuterhexe oder als sadistische Zauberin mit Hang zum Weltuntergang entwickeln. Und das alles, ohne je die Kontrolle über einen einzigen Schwertschwung zu verlieren – denn hier geschieht Fortschritt auf völlig andere Weise. Das Herzstück von "Cauldron" sind interaktive Minispiele, die zum Ressourcen-Sammeln dienen. Ob Angeln, Apfelpflücken, Erzabbau oder das Herstellen von Tränken – jedes dieser Spiele folgt seinem eigenen Mini-Regelwerk, bietet kleine Herausforderungen und kann individuell verbessert werden. Dabei unterscheidet sich Cauldron massiv von typischen Idle-Games.
Die Minispiele sind nicht bloß Zahlenklickerei, sondern fordern echtes Timing, Geschick oder Strategie. Besonders das Angelspiel, bei dem man mit Mausbewegungen Fische ins Netz lenken muss, sorgt für überraschend viel Spieltiefe – auch wenn das Balancing hier und da etwas schleift. Manche Minispiele wirken lohnenswerter als andere, was bei längerer Spielzeit leicht zur Fokussierung auf ein paar wenige Aktivitäten führt. Parallel zur Sammelwirtschaft baut man ein Team aus Kämpfern auf, das aus Ritterinnen, Nekromanten, Froschprinzen oder gar sprechenden Pilzen bestehen kann. Der Umfang an Games und Möglichkeiten ist enorm.
Die Kämpfe laufen rundenbasiert ab, können aber auch völlig automatisiert werden – ideal für Gelegenheitsspieler. Hinter der verspielten Fassade verbirgt sich ein komplexes Skillsystem, bei dem man Punkte auf passive Boni, Spezialfähigkeiten und Ausrüstungsupgrades verteilen kann. Besonders erfahrene Spieler werden hier ihre Freude haben, Einsteiger hingegen könnten sich anfangs etwas überfordert fühlen – vor allem, da das Spiel nicht jeden Mechanismus gleich gut erklärt. "Cauldron" lebt von seiner Mischung aus Aktivität und Passivität. Wer mag, kann das Spiel stundenlang aktiv spielen – oder es einfach im Idle-Modus laufen lassen.
Dieser Modus ist durchdacht: Statt reiner Autoklickerei gibt es spezielle Automatisierungsboni, die man gezielt freischaltet und verbessert. Und wer seine Produktion optimieren will, muss mit Bedacht investieren – stumpfes AFK-Laufenlassen reicht hier nicht. Das Spiel bietet ein ausgeklügeltes Upgrade-System, das stark an Clicker-Games erinnert, aber durch seine Verzahnung mit den Minispielen mehr Taktik verlangt. Man levelt nicht nur Figuren, sondern auch die Minispiele selbst – inklusive Spielmechanik, Belohnungsrate und Automatisierung. Hinzu kommt ein Crafting-System, das vor allem für Alchemisten-Fans eine Freude ist.
Tränke, Buffs und Zauberartefakte werden aus gesammelten Ressourcen kombiniert – mit echten Auswirkungen auf Kämpfe und Gameplay. Besonders ambitionierte Spieler verbringen hier Stunden mit dem Experimentieren. Optisch punktet "Cauldron" mit einem liebevollen, handgezeichneten Stil, der charmant zwischen kindlich und schräg pendelt. Charaktere sind detailliert, Farben kräftig, Animationen flüssig – und alles wirkt wie aus einem modernen Cartoon entsprungen. Ein Highlight: Die liebevollen Details. Jeder Charakter hat individuelle Dialoge, Sprüche und Eigenheiten, Fans von "Undertale" oder "Paper Mario" fühlen sich wohl.
Der Soundtrack? Eine Mischung aus märchenhaftem Glockenspiel und jazzigem Hexenbeat. Ohrwurm-Gefahr! "Cauldron" läuft stabil, auch auf älteren Systemen. Die Ladezeiten sind kurz, die Speicherstände zuverlässig – und das UI angenehm intuitiv. Nur in späteren Spielphasen wird es gelegentlich etwas überladen, insbesondere im Skill- oder Inventarbildschirm. Zudem fehlt derzeit noch eine deutsche Lokalisierung – was schade ist, da die vielen Wortspiele und Dialoge nicht jedem zugänglich sind. Entwickler haben jedoch bereits angekündigt, an Übersetzungen zu arbeiten. Neben dem klassischen Modus bietet "Cauldron" noch viel mehr.
Der Pacifist-Modus kommt komplett ohne Kämpfe aus – ideal für Sammler und gemütliche Spieler. Der Evil-Modus ist dagegen für Hardcore-Gamer mit besonderen Gegnern und Permadeath. Und der Autobattler-Modus lässt Kämpfe automatisch ablaufen – fast wie ein Strategie-Leerlaufspiel. Dank dieser Vielfalt lässt sich das Spiel auf völlig unterschiedliche Weise erleben – und motiviert zum erneuten Durchspielen.
Die "Cauldron"-Community ist klein, aber engagiert. Auf Reddit und Discord tauschen sich Spieler rege über Strategien, Builds und Hidden Features aus. Auch die Entwickler beteiligen sich aktiv – und sind für ihren Humor bekannt. Patchnotes mit Einträgen wie "Blinkie now has a 5% chance to sass you if you ignore him" gehören zum guten Ton. Und das ist vielleicht das größte Plus: Identität. "Cauldron" ist kein generisches Indie-RPG, sondern ein Spiel mit Herz, Haltung und Humor.
"Cauldron" ist ein wunderbares Beispiel dafür, was Indie-Games leisten können: Es kombiniert einfache Ideen zu einem komplexen Spiel, das sowohl chillige Feierabend-Spieler als auch ambitionierte Min-Maxer anspricht. Der Mix aus Minispielen, RPG, Idle und Humor funktioniert erstaunlich gut – und entfaltet mit jedem Spieltag mehr Tiefe.
Nicht alles ist perfekt: Das Balancing braucht Feinschliff, das UI etwas Aufräumarbeit und die Übersetzung lässt auf sich warten. Aber: Wer sich darauf einlässt, entdeckt einen echten Geheimtipp – einen kleinen Hexenkessel, der vor Spielspaß nur so brodelt. Fazit: Ein liebevoll gestaltetes Minispiel-RPG mit Charme, Tiefe und erstaunlichem Langzeitspaß.