Der ORF arbeitet im März die Corona-Pandemie mitsamt ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen auf. Barbara Stöckl wird beispielsweise im Rahmen einer losen Talk-Serie unter dem Motto "Miteinander" mit verschiedenen Gästen das Thema diskutieren. Und auch Generaldirektor Roland Weißmann gestand bereits ein, dass die Impf-Lotterie ein Fehler war.
Der ORF Niederösterreich plante für 13. März etwas Ähnliches: Als Teil der Serie "Ein Ort am Wort" sollte im Gasthaus Zwettl die Bevölkerung in Austausch mit bekannten Persönlichkeiten treten, die in Sachen Corona-Pandemie verschiedene Standpunkte einnahmen. Als Experten zugesagt haben der bekannte Virologe Norbert Nowotny, Intensivmediziner Christoph Hörmann und der Rechtsanwalt Gottfried Forsthuber.
Um auch den Kritikern Platz einzuräumen, wurde der wohl bekannteste Maßnahmengegner eingeladen: Martin Rutter. Er veranstaltete unzählige Corona-Demos, bei denen sämtliche Maßnahmen und behördlichen Verbote ignoriert wurden, und rief später einen Verein zur Unterstützung von "Impfopfern" ins Leben. Auf seinen Kanälen finden sich seit jeher radikale Postings und abstruse Verschwörungstheorien.
Als die geladenen Gesundheits-Experten davon Wind bekamen, stand für sie fest: Eine konstruktive Diskussion wäre mit so jemandem nicht möglich. Nowotny und Hörmann sagten deshalb kurzerhand ab.
Für Norbert Nowotny ist es das erste Mal in seiner 40-jährigen Universitätskarriere, dass er einen Medientermin absagt, verrät er "Heute". Martin Rutter sei ihm zwar ein Begriff gewesen, doch nah näherer Betrachtung dessen Telegram-Kanals war er "erschüttert". Nichts spreche gegen das Organisieren von Corona-Demos – "aber Herr Rutter ist in vielen Bereichen fern jeglicher Realität und Wissenschaftlichkeit." Eine Diskussion sei daher "sinnlos".
Nach wie vor findet der Virologe die Idee der Sendung prinzipiell ausgezeichnet und auch im Corona-Komplex "absolut notwendig" Aber mit Martin Rutter, der Dinge behaupte, die einfach falsch und ohne jegliche faktische Basis seien, und der die Sendung für seine eigenen Zwecke missbrauchen würde, sei dies nicht möglich. "Meine Absage tut mir dennoch aufrichtig leid."
Der ORF Niederösterreich nimmt die Absagen "mit Bedauern" zur Kenntnis. Man hätte mit dem bewährten TV-Format eine Plattform für alle bieten wollen und ein möglichst breites Spektrum abbilden wollen. Auf Wissenschaftler, aber auch auf Betroffene und Aktivisten zu verzichten, "hätte den Anspruch von 'Ein Ort am Wort' ad absurdum geführt", so der Sender.
"Da es aufgrund der kurzfristigen Absagen der beiden Experten nicht möglich war adäquate Gesprächspartner einzuladen, sieht sich der ORF Niederösterreich gezwungen, das Diskussionsangebot zu diesem Thema zurückzunehmen."
Und der Betroffene Martin Rutter? Der wettert in einem vier Minuten langen Telegram-Video über die Absage Nowotnys und macht ihm zum Vorwurf, dass dieser gar kein echter Arzt sei. Nowotny habe Angst, verachte die Meinungsfreiheit und laufe deshalb weg.