Gesundheit

Covid-19 verzögert Diabetes-Diagnose bei Kindern 

Die Corona-Pandemie verursachte verspätete Diabetes-Diagnosen bei Kindern. Immer mehr erhalten die Diagnose erst bei lebensbedrohlichen Symptomen.

Sabine Primes
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Eine verzögerte Diabetes-Diagnose kann lebensbedrohliche Folgen haben.
Eine verzögerte Diabetes-Diagnose kann lebensbedrohliche Folgen haben.
Getty Images/iStockphoto

Es hat sich gezeigt, dass während des Coronajahres die Zahl an Vorsorge- und Nachsorgeuntersuchungen rapide zurückgegangen sind. Aus Angst, sich mit dem Virus zu infizieren, haben Patienten den Arztbesuch auf die lange Bank geschoben oder gar nicht wahrgenommen. Es wird angenommen, dass heuer vermehrte Krankheitsdiagnosen - wie etwa Krebs - die Folge sein werden. 

Das Jahr hatte aber nicht nur Einfluss auf die Gesundheit der Erwachsenen, sondern auch auf die der Kinder. Diese würden ihre Diabetes Typ 1-Diagnose nämlich zunehmend verspätet erhalten. Im schlimmsten Fall erst, wenn sich lebensbedrohliche Symptome zeigen. Das berichtet das gestrige Ö1-Mittagsjournal

Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung: Das Immunsystem greift die Bauchspeicheldrüse an, die in Folge kein Insulin mehr erzeugt. Das fehlende Insulin muss zeitlebens medikamentös ersetzt werden. Wird die Krankheit nicht rechtzeitig diagnostiziert, besteht die Gefahr einer Ketoazidose.
Ketoazidose ist eine schwere Stoffwechselentgleisung. Ohne medizinische Hilfe kann sie zu einem lebensgefährlichen diabetischen Koma ("Zuckerkoma") führen.

Von 37 auf 53 Prozent Betroffenenrate

Vor Corona lag die verspätete Diagnose-Rate bei etwa 37 Prozent. Im Jahr der Pandemie waren das bei 53 Prozent der Betroffenen der Fall. „Das ist sehr besorgniserregend ist, die Tendenz ist absolut steigend. Es gibt verschiedene Ursachen, etwa dass die Eltern oder Betreuungspersonen nicht daran denken und auch nicht die Ärzte, die den Erstkontakt haben“, so Kinderdiabetologin Birgit Rami-Merhar, Leiterin der Diabetes-Ambulanz an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am Wiener AKH.

Zu den häufigsten und aussagekräftigsten Diabetes-Symptomen zählen viel zu trinken und häufiger Toilettengang, nächtliches Einnässen, Gewichtsverlust oder Leistungsabfall. Die meisten Betroffenen entwickeln die typischen Symptome im Volkschulalter, wobei diese über Wochen und Monate auftreten, bevor die Erkrankung lebensbedrohlich wird.

Laut der Kinderdiabetologin würden die Symptome als solche zu oft nicht erkannt: „Es wird nicht daran gedacht, dass so ein Kind wirklich Diabetes haben könnte. Die Krankheit ist auch nicht so häufig, dass sie etwa bei den niedergelassenen Hausärzten oft vorkommt“. Das führe häufig zu Fehldiagnosen und unnötigen Verzögerungen.

Höhere Standards und mobile Betreuung

Die Insulinversorgung würde zu spät beginnen. Und auch hier gebe es Herausforderungen in Österreich, sagt Rami-Merhar. Die Kinder optimal zu versorgen, sei schwierig: Neben den medizinischen Fachkräften brauche es Unterstützung durch Diätologen, Sozialarbeiter und Psychologen.

Denn es gebe internationale Leitlinien zur Größe und Ausstattung der Versorgungszentren: „Kein einziges österreichisches Zentrum erzielt auch nur annähernd diese internationalen und nationalen Betreuungsstandards. Das heißt, hier wäre dringend noch eine Aufstockung des medizinischen Personals gefordert, um auch wirklich all diese Patienten optimal betreuen zu können.“

Wichtig wären auch mehr mobile Betreuungsteams, die Kinder und Eltern nach der Diagnose im Umgang mit der Erkrankung unterstützen, sagt Rami-Merhar, um etwa auch den Schulbesuch zu gewährleisten. Hier gebe es – mit Ausnahme von Wien – in vielen Bundesländern große Defizite.

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