Presserat als Zensurverein

Darf man das in Österreich bald nicht mehr schreiben?

Dass "Heute" über einen Millionen-Geldregen für den "Standard" berichtet hat, ruft nun die Tugendwächter vom Presserat auf den Plan. Ein Kommentar.
Clemens Oistric
10.10.2025, 05:15
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Es sollte zum Volkssport in Österreich erklärt werden: das Messen mit zweierlei Maß. Nun ringen zwei, die den Anstand für sich gepachtet haben, um die Goldmedaille in der Disziplin - "Der Standard" und der Österreichische Presserat, laut Eigendefinition eine "moderne Selbstregulierungseinrichtung im Pressebereich". Zentrale Anliegen des Vereins: redaktionelle Qualitätssicherung und Gewährleistung der Pressefreiheit.

Hehre Ziele. Jetzt läuft der Presserat - von Medienminister Andreas Babler bekommt er heuer immerhin 230.000 Euro Steuergeld - aber Gefahr, zum Zensurverein zu verkommen.

Was ist passiert? "Heute" berichtete, dass der "Standard" 3,5 Millionen Euro an Förderungen und darüber hinaus 8,1 Millionen Euro für Inserate öffentlicher Stellen erhalten hat.

Fakten, keine Fake News.

Dennoch ruft die Story die Tugendwächter vom Presserat auf den Plan, die ein Verfahren gegen "Heute" eingeleitet haben.

In der Begründung werden nicht die publizierten Zahlen angegriffen. "Ein Leser" kritisiert vielmehr, "dass die Vermischung verschiedener Förderungsarten ein falsches Bild erzeugen würde und der Artikel nicht der sachlichen Information, sondern der Verächtlichmachung eines Konkurrenten diene".

Beinahe rührend: In Zeiten multipler Krisen zeigt sich "ein Leser" ausgerechnet über das atmosphärische Klima am Medienmarkt besorgt. Und schon reitet der "Presserat" aus, vergisst offenbar sämtliche seiner Sonntagsreden über Pressefreiheit und prüft, ob "Heute" gegen den Ehrenkodex für die Presse verstößt.

Messen mit zweierlei Maß

Dazu muss man wissen: Der "Standard" (79.220 Stück Druckauflage im Jahresschnitt 2024, wundersame 6,75 Leser pro Exemplar) war selbst nie zimperlich im Umgang mit - weitaus leserstärkeren - Mitbewerbern, sondern hat ihnen über Jahre jeden öffentlichen Werbe-Euro vorgerechnet.

Der Presserat störte sich daran nie. Ärgert sich das lachsrosa Bronner-Blatt nun aber über das Öffentlichmachen des Geldregens, der über der Vorderen Zollamtsstraße niedergeht, prüft der Presserat die "Genauigkeit" der "Heute"-Recherche.

Daher gerne hier nochmals transparent alle – im Übrigen öffentlich einsehbaren – Zahlen:

  • Presseförderung 1,36 Millionen Euro
  • Digitale Transformationsförderung 1,11 Millionen Euro
  • Qualitätsmedienförderung 1,03 Millionen Euro
  • Förderung für zwei Podcasts 100.000 Euro
  • Steuergeld-Inserate 8,1 Millionen Euro
Causa "Standard": Der Senat 3 des Presserats führt ein Verfahren gegen "Heute".
Faksimile, Grafik "Heute"

Verhandlung vor dem Presserat am 22.10.

Und jetzt? Die Verhandlung dazu vor dem Presserat am 22.10. wird - frei nach Ingeborg Bachmann - zeigen: Ist die Wahrheit auch dem Presserat zumutbar? Oder führt er seinen Daseinszweck mit Haltungsnoten selbst ad absurdum?

Spannend zu sehen wird dann auch, wer dem Verein im Parlament möglicherweise zu neuer Relevanz verhilft …

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