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Der Salut-Verweigerer wird in der Türkei angefeindet

Heute Redaktion
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Kaan Ayhan feiert sein Tor gegen Frankreich, ohne Salut.
Kaan Ayhan feiert sein Tor gegen Frankreich, ohne Salut.
Bild: imago sportfotodienst

Der Salutjubel der türkischen Teamkicker sorgt international für Wirbel. Nur einer verweigerte die kriegsverherrlichende Geste, wird dafür in der Heimat angefeindet.

Die Türkei führt eine Militäroffensive in Nordsyrien durch, geht gegen kurdische Truppen vor. Dafür hagelt es international scharfe Kritik an Machthaber Recep Tayyip Erdogan.

Die Debatte erreichte in der Länderspielpause den Fußball. In den beiden EM-Qualispielen der Türkei kam es jeweils zum Eklat. Beim 1:0-Heimsieg gegen Albanien und 1:1 in Frankreich jubelten die türkischen Teamspieler jeweils mit einem Salut. Es handelte sich um eine Geste für die türkischen Truppen, für Erdogan und die Militäroffensive. Das unterstrichen eindeutige Postings der Kicker an die Soldaten.

Der Aufschrei ist groß. Es drohen saftige Strafen. Istanbul könnte von der Uefa sogar das Champions-League-Finale entzogen werden. Tenor: Sport und Fußball werden gemeinhin als Werkzeuge des Friedens verstanden, hier aber für Kriegspropaganda missbraucht. Politische und religiöse Gesten sind auf dem Fußballfeld eigentlich verboten.

Salut-Verweigerer

Jetzt wird es kompliziert. Wir legen den Fokus auf einen der Stars: Kaan Ayhan. Er ist Legionär von Fortuna Düsseldorf, in Gelsenkirchen, Deutschland, geboren.

Gegen Weltmeister Frankreich war er der sportliche Held, der in Minute 82 den Ausgleich erzielte. Gefeiert wurde er aber nur verhalten. Stattdessen gab es auf dem Platz einen Streit mit Kollegen und Anfeindungen aus der Heimat.

Der Hintergrund: Gegen Albanien hatte er sich noch am Salutjubel beteiligt. Zwischen den beiden Spielen hatte aber auch er mitbekommen, dass die Symbolik des Jubels hohe Wellen schlägt. Besonders in seinem Geburtsland Deutschland, in dem er auch arbeitet.

Die beiden deutschen Nationalspieler Ilkay Gündogan und Emre Can wurden scharf kritisiert, weil sie ein Salut-Posting von Türkei-Stürmer Cenk Tosun erst likten, wenig später entlikten. Wegen eines einschlägigen Postings wurde Cenk Sahin von seinem Klub St. Pauli sogar freigestellt, weil Fans protestiert hatten.

Zurück zum Frankreichspiel. Dort feierten nun alle den Ausgleich. Die Kollegen mit Salutjubel vor dem Block der Auswärtsfans. Torschütze Kaan Ayhan schien sich hingegen gar nicht so recht zu freuen. Seine Mitspieler drängten ihn geradezu, mitzumachen. Er ließ sich nicht überreden.

Das ist der "Salutier-Boss" im türkischen Team



In der Zwickmühle

An seinem Beispiel wird die Zwickmühle deutlich, in der sich viele Kicker derzeit befinden. Sie werden instrumentalisiert. Für oder gegen den Krieg. Für den Mittelweg scheint im Regime von Präsidenten Erdogan aktuell kein Platz zu sein.

So war Ayhan nach dem Salut gegen Albanien der Kritik in Düsseldorf ausgesetzt. Vereinsverantwortliche suchten sogar das klärende Gespräch, ließen sich versichern, es habe sich lediglich um eine Solidaritätsbekundung für Soldaten und ihre Familien gehandelt – um den Wunsch, dass alle heil zurückkehren würden.

Nach dem Ärger in Deutschland ließ er den Salut gegen Frankreich aus. Das Pendel schlägt in die andere Richtung aus. Jetzt erntet er Kritik aus der Türkei.