So wirken sie auf dich

Die Körpersprache der Kandidaten – die Experten-Analyse

Ein Panzer, ein Lämmchen und ein kalter Fisch – NLP-Experte Roman Braun analysiert Wiens Spitzenkandidaten nach Wirkung, Mimik und Körpersprache.
Christoph Weichsler
27.04.2025, 10:48

Worte allein gewinnen keine Wahlen – davon ist Rhetorik-Coach und NLP-Trainer Dr. Roman Braun überzeugt. "Wirkung schlägt Inhalt. Wer nicht wirkt, verliert – egal wie gut das Programm ist", so der Kommunikationsexperte, der seit Jahren Politiker:innen coacht. Für "Heute" analysiert er die Spitzenkandidaten im laufenden Wien-Wahlkampf anhand von Körpersprache, Tonalität und rhetorischer Wirkung – und zieht dabei auch humorvoll-gnadenlose Vergleiche.

Braun unterscheidet in der politischen Wirkung drei Grundenergien: Macher (kraftvoll, durchsetzungsstark), Muse (empathisch, kreativ) und Mentor (ruhig, führungsstark). Erfolgreiche Persönlichkeiten kombinieren laut ihm idealerweise zwei davon. Doch viele im Rennen um das Rathaus bleiben bei einem einzigen Stil – oder wirken, als wären sie gar nicht anwesend.

Ludwig: Der Panzer

SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig verkörpert für Braun klar den "Mentor". Er sei ruhig, kontrolliert, strahle Stabilität aus – aber wirke dabei häufig zu technokratisch. Seine Gestik ist laut Braun minimalistisch, seine Mimik fast nicht vorhanden. "Er verzieht kaum eine Augenbraue – das übertrifft nur noch Dominik Nepp." Er wirke wie ein Panzer, so Braun.

Diese kontrollierte Art könne in hitzigen Momenten hilfreich sein, mache Ludwig aber gleichzeitig unnahbar, so Braun. "Er schaut Gegner gerne von der Seite an, ohne einen Muskel zu bewegen – das kann souverän wirken, aber auch schnell arrogant." In Diskussionen fehle ihm die emotionale Flexibilität, er verfalle oft in eine sogenannte Retter-Haltung: "Das ist das Letzte, was man im politischen Schlagabtausch brauchen kann." Braun rät deshalb: Ludwig sei gut beraten, heuer keine TV-Duelle zu bestreiten und stattdessen Parteikollegen vorzuschicken.

Pühringer: Emotional, dynamisch, auf den Punkt

Judith Pühringer (Grüne) bildet laut Braun den krassen Kontrast zu Ludwig. Sie wirke authentisch, dynamisch und flexibel. Ihre Mimik sei engagiert, ihre Gestik lebendig. "Sie zeigt viele Primärgefühle und bleibt auch bei Gegenwind stabil", lobt Braun. Ihr Auftreten entspreche ganz klar der "Musen"-Energie – kreativ, präsent, emotional.

Besonders auffällig: ihr hohes Sprechtempo, auch unter Druck. Braun beobachtet: "Sie kann Emotionen zeigen, ohne dabei ins Unkontrollierte zu rutschen. Diese Mischung aus Ausdruck und Standfestigkeit ist im Wahlkampf besonders wirksam."

Nepp: Der kalte Fisch

FPÖ-Spitzenkandidat Dominik Nepp bekommt von Braun ein hartes Urteil: "Er ist der Kandidat mit der geringsten mimischen Aktivität." Nepp könne zwar gut zwischen Sach- und Metaebene wechseln und sei rhetorisch geübt – doch seine Körpersprache sei "wie eingefroren". Kein Muskel zuckt, keine Regung im Gesicht.

Braun nennt ihn deshalb den "kalten Fisch" unter den Kandidaten. "Das Problem: 55 Prozent der Wirkung laufen über Körpersprache, nur 7 Prozent über Inhalte. Wer so wenig zeigt, verliert Anschluss – gerade bei jüngeren Wählergruppen." Nepp versuche sich als "Macher", aber es fehle jede emotionale Wärme.

Mahrer: Die politische Marionette

Karl Mahrer (ÖVP) ist für Braun ein Paradebeispiel alter Parteischul-Rhetorik. "Er hat gelernt, was wann zu tun ist – aber das sieht man ihm an." Sein Lächeln wirke aufgesetzt: "Der Mund lacht, die Augen nicht." Braun zitiert dazu Goethe: "Man merkt die Absicht – und ist verstimmt."

Mahrer arbeite mit symmetrischen Gesten, etwa bei Lösungsvorschlägen – dazu mache er kleine Kniebewegungen. Braun nennt das "kleinkindhaft" und sieht in seiner Gestik eine "Marionette, die sich nur auf Befehl bewegt". Als authentisch empfindet er Mahrer nicht – aber berechenbar.

Emmerling: Das aggressive Lämmchen der NEOS

Bettina Emmerling (NEOS) zeigt laut Braun besonders viele Emotionen – aber nicht immer im richtigen Moment. "Sie kocht schnell hoch – egal, ob es um ein Nebenthema oder einen Schlagabtausch geht." Ihre Gestik sei impulsiv, ihre Stimme oft fordernd. Diese expressive Art könne mitreißen, wirke aber manchmal auch übersteuert.

In der Defensive hingegen falle sie stark zurück. Braun erinnert sich an ihren Auftritt in der ZIB2: "Da saß sie brav da, hielt sich fest, sprach freundlich – aber wirkte wie ein Lämmchen." Sein Fazit: "Sie ist das aggressive Lämmchen des Wahlkampfs – zwischen Aufbegehren und Rückzug."

Strache: Der emotionale Routinier

Heinz-Christian Strache (Team HC) ist für Braun ein "emotional sehr starker" Kandidat. Trotz seiner Skandalvergangenheit bringe er Variation in Mimik, Ton und Körpersprache. "Er wirkt echt, auf eine volksnahe Art." Braun sieht in ihm eine Mischung aus Macher und Muse – selten in dieser Form. Braun nennt ihn "das alte Schlachtross" – nicht böse gemeint, wie er sagt.

"Er hat hohe Sympathiewerte – auch aus Mitleid", meint Braun. Seine Erfahrung wirke in Diskussionen souverän. Seine Auftritte zeigten Reife, aber auch einen gewissen Kampfgeist. Fazit: "Er ist das männliche Gegenstück zu Pühringer – mit mehr Schlagseite Richtung Stammtisch." Dennoch wird er es aufgrund seiner Skandale sehr schwer haben.

Arapović & Urbanic: Sachlich und solide – aber leise

Die zweite NEOS-Kandidatin Selma Arapović tritt laut Braun mit offener, ehrlicher Körpersprache auf. Ihre Sprache sei langsam, aber bewusst betont. "Sie spricht mit Klarheit, aber wenig Emotionalität – das kann in einem hitzigen Wahlkampf untergehen", meint Braun.

Barbara Urbanic (KPÖ/LINKS) punktet mit Bodenständigkeit. Ihre Körpersprache sei schlicht, ihre Gestik glaubwürdig. "Sie wirkt freundlich, ruhig, fast wie eine vertrauensvolle Nachbarin – das ist angenehm, aber nicht spektakulär." Für Braun ein Beispiel, wie Zurückhaltung auch Wirkung haben kann.

Fazit: Wer wirkt, gewinnt

"Die Bühne gehört nicht den Lautesten, sondern jenen, die mit Ausstrahlung führen", sagt Braun. Entscheidend sei die Kombination aus Mimik, Körpersprache und Stimme – nicht das Parteiprogramm. Sein Ranking:

Rhetorik-Ranking:

1. Strache & Pühringer – emotional und präsent

2. Emmerling – expressiv, aber unkontrolliert

3. Ludwig & Mahrer – technokratisch, aber stabil

4. Nepp – zu wenig Wirkung, zu viel Frost

{title && {title} } CW, {title && {title} } Akt. 27.04.2025, 12:41, 27.04.2025, 10:48