Klimaschutz

Drei Viertel der Gletscher könnten bald Geschichte sein

Neue Studie skizziert Schicksal aller Gletscher je nach Temperaturszenarien. Eine Erderhitzung um 3°C führt zum Verlust von 75 Prozent der Gletscher.

Lydia Matzka-Saboi
Kalbende Gletscherfront in Svalbard, Spitzbergen in Norwegen. Gletscher werden bereits jetzt massiv durch die Folgen der Klimakrise in Mitleidenschaft gezogen.
Kalbende Gletscherfront in Svalbard, Spitzbergen in Norwegen. Gletscher werden bereits jetzt massiv durch die Folgen der Klimakrise in Mitleidenschaft gezogen.
Fabien Maussion

Mit bisher einzigartiger Genauigkeit beschreibt ein internationales Klimaforschungsteam mit Beteiligung des Innsbrucker Glaziologen Fabien Maussion im Fachmagazin "Science" das Schicksal aller Gletscher weltweit je nach Temperaturszenarien zwischen +1,5°C und +4°C Erhitzung. Aktuell steuert die Welt in Richtung +3°C, was zum Verlust von 75 Prozent der Gletscher bis 2100 führen würde.

Die mehr als 215.000 Gletscher weltweit sind von den Folgen der Erderhitzung aufgrund der Klimakrise längst massiv betroffen. Die steigenden Schmelzraten führen nicht nur zu einer Zunahme von Naturgefahren in den entsprechenden Gebieten, sondern auch zu einem Anstieg des Meeresspiegels und zu einer Gefährdung der Wasserversorgung von etwa zwei Milliarden Menschen weltweit.

Dramatisches Abschmelzen der Gletscher

Im jüngsten Bericht des Weltklimarates IPCC haben tausende Forscher auf die dramatischen Folgen der Erderhitzung – besonders für Gletscher bereits jetzt und in naher Zukunft – hingewiesen.

"Wir sind aufgrund des aktuellen Niveaus der Emissionen leider auf dem Weg in Richtung einer Temperaturzunahme von +2,7°C", erklärte Fabien Maussion vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck und Co-Autor der Science-Studie.

"Das hätte ein Verschwinden von zwei Drittel aller Gletscher weltweit bis 2100 zur Folge", sagte Maussion.

Wie genau sich diese Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen wird und was noch zu retten ist, hat das große Klimaforscher-Team unter der Leitung von David Rounce von der Carnegie Mellon University in Pennsylvania nun neu berechnet und dabei die Methodik im Vergleich zu bisherigen Studien deutlich verbessert.

Der Glaziologe Maussion steuerte Projektionen der potenziellen Veränderungen der Gebirgsgletscher bei, basierend auf dem an der Universität Innsbruck mitentwickelten Gletscherentwicklungsmodell "Open Global Glacier Model" (OGGM). Dabei handelt es sich um das erste offen zugängliche globale Modell zur Simulation der Entwicklung aller Gletscher weltweit, für diese Studie wurde es mit einem Modell der Carnegie Mellon University kombiniert.

Vier Szenarien für alle Gletscher

Da auf gesellschaftspolitischer Entscheidungsebene wie etwa kürzlich bei der UN-Klimakonferenz COP27 häufig mit Temperaturszenarien gearbeitet wird, haben sich die Klimaforscher dazu entschieden, die Folgen für die Gletscherentwicklung anhand von vier Annahmen zu berechnen.

Die Projektionen verdeutlichen die Reaktion auf globale Temperaturänderungen von +1,5 °Celsius, +2°C, +3°C und +4°C bis zum Jahr 2100 im Vergleich zum vorindustriellen Niveau für jeden einzelnen Gletscher der Welt.

Die Ergebnisse zeigen einen dramatischen Verlust, aber auch große Schwankungsbreiten im Ausmaß: Zwischen 26 und 41 Prozent der Gesamtmasse der Gletscher wird bis Ende des Jahrhunderts verloren sein. Im "Best-Case-Szenario" von +1,5°C würde ein Viertel der Gesamtmasse und damit 50 Prozent der Gletscher komplett abschmelzen.

Ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von +2,7°C, von dem angesichts der aktuellen Übereinkünfte zur Emissionsreduktion ausgegangen werden muss, hätte laut der Studie eine fast vollständige Entgletscherung ganzer Regionen in den mittleren Breitengraden mit Mitteleuropa, Westkanada, USA sowie Neuseeland zur Folge.

Das würde einen höheren Anstieg des Meeresspiegels zur Folge haben als bisher angenommen. "Für sehr viele Gletscher ist es leider schon zu spät, aber das heißt nicht, dass wir nichts mehr tun können. Jede Reduktion der Treibhausgasemissionen und damit die Abkehr von fossilen Brennstoffen trägt dazu bei, noch bestehende Eismassen zu retten und den Anstieg des Meeresspiegels einzugrenzen", so Fabien Maussion.

Die Forscher appellieren: Jedes Zehntelgrad weniger zählt, um das Abschmelzen einzudämmen.

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