Willkommen in Aema – einer Fantasywelt, die so frisch wirkt, als hätte sie jemand direkt aus dem Gletscher geschmolzen: Lavafelder, eisige Gipfel, atemberaubende Fjorde und nebelverhangene Wälder. "Echoes of the End" verspricht Iceland-Vibes deluxe und erinnert nicht nur optisch an die jüngsten Ausgaben der "God of War"-Spiele im hohen Norden. Entwickelt von Myrkur Games, einem Mini-Studio aus dem isländischen Reykjavík, entführt uns das Game in ein cinematografisches Third-Person-Abenteuer, das magische Kämpfe, Rätsel und Klettertouren vereint. Verfügbar ist das Spiel auf PC, Xbox Series X/S und PlayStation 5.
Wir spielen Ryn, eins sogenanntes Vestigium, eine junge Kämpferin mit magischen Kräften, kurz eine Art nordische Magierin mit Pepp. Spieler verfolgen mit der Protagonistin ihren entführten Bruder Cor durch ein totalitäres Reich. Mit von der Partie ist Abram, ein gebrochener Gelehrter mit trockenen Sprüchen, der Ryn durch die isländischen Kulissen begleitet – das bisschen Humor dient hier als Kontrast zum tristen Kriegsdrama. Die Atmosphäre zählt zu den Stärken des Spiels. Gletscher, Lavagruben, Schnee bedeckte Klippen – das sieht stellenweise so scharf und lebendig aus, dass man das Knistern des Frosts förmlich spüren könnte.
Tatsächlich zeigt sich das Game streckenweise in einer Pracht, die man so in "God of War" und anderen AAA-Games erwarten würde, aber nicht unbedingt in einem Erstlingswerk eines 40-Personen-Studios. Doch Achtung: Die Schönheit stand wohl über der Stabilität. Häufig kommt es auch in der getesteten PlayStation-Version zu Rucklern, Bildradius-Problemen, Aliasing-Effekten und nervigen Pop-ins. Schlimmer dürfte das den bereits erschienenen Testberichten nach auf dem PC sein, besonders in 4K/Ultra ruckelt das Spiel offenbar selbst auf High-End-Hardware bis unter 40 FPS. DLSS helfe da nur begrenzt, Reflex und Frame-Gen fehlen, heißt es.
Warum man dennoch auf Updates für die holprige Technik hoffen sollte: Umso positiver zeigt sich nämlich das Gameplay. Ryns Kampfstil in Third-Person-Perspektive ist eine wilde Mischung aus Schwertattacken, Paraden und Magie – eine Art nordisches "God of War" mit Zauberei. Parieren, ausweichen, Kombos, Zauber – oft wird es so wild, dass das etwas hektisch abläuft, Spaß macht es aber immer. Auch meist sehr einfache Rätsel gibt es. Ein Sprung durch eine Höhle, ein Push mit der Shift-Magie, und schon ist alles anders: Ryn kann mit Magie die Umgebung manipulieren, Illusionen zaubern, Gravitation beeinflussen – das macht neugierig.
Einerseits bietet das Spiel mit seinen Mechaniken viel Abwechslung, der Titel nimmt die Gamer aber etwas zu sehr an der Hand. Die Rätsel sind oft zu simpel, helfende NPCs und ein integriertes Hinweis-System verderben selbst die minimale Herausforderung. Und die engen Schleichpassagen wiederholen sich. Die Welt ist zudem kein Sandbox-Paradies, sondern strikt linear – klare Wege, unsichtbare Mauern, minimaler Nebenquests-Anteil. Für Freigeister ein No-Go. Wer aber eine geradlinige, inszenierte Fantasytour sucht, fühlt sich gut aufgehoben. Und wem es primär um die Handlung mit ein paar Prügeleien geht, der ist hier bestens bedient.
Der Plot klingt solide, aber im Detail fühlt er sich altbekannt an: Blutige Diktatur, entführter Bruder, miese Magie, Familienzweifel. Klassisch, aber nicht schlecht. Abram bringt ein paar lockere Sprüche, aber die Dialoge wirken stellenweise emotionslos. Ryn wächst irgendwann als Charakter, aber der Anfang zieht sich etwas. Im Innern mit der Unreal Engine 5 ausgestattet, wirkt das Ganze aber so lebensecht, dass man fast die Gischt der nordischen Welt auf der Haut spürt und dabei gerne über ein paar erzählerische Längen hinwegsieht. Motion-Capture-Performance, detailverliebte Charaktermodelle und fotorealistische Landschaften gefallen.
Magie trifft Stahl – und oft trifft sie auch daneben. Ryn führt Schwertattacken, Paraden und Zaubertricks auf, doch die Aneinanderreihung der Attacken wirkt mitunter holprig. Es fehlt der reibungslose Flow, den man von einem Kratos aus "God of War" oder einer Aloy aus den "Horizon"-Games gewohnt ist. Auch Trefferboxen und Kamerawinkel sind nicht immer optimal gewählt, seltsamerweise hält sich der Ärger darüber aber in Grenzen, die Ecken des Spiels haben beinahe so etwas wie Charme. Der Fokus liegt übrigens auf Strategie: Wer unüberlegt in die Masse stürzt, kassiert. Stattdessen lohnt es sich, zu parieren und dann zu kontern.
Hirnschmalz statt Muskelkraft gilt wiederum bei den Puzzle-Passagen: Rätsel sind die Paradedisziplin von "Echoes of the End". Ryn manipuliert Schwer- und Leichtkraft, Abram stabilisiert Objekte – ein Dreamteam gegen knifflige Umgebungen. Die Levels sind linear, aber mit kreativen Kniffen: portale, bewegbare Plattformen, gravitative Gags. Dennoch bleibt der Schwierigkeitsgrad niedrig. NPC-Hinweise und clevere Kameraden ersetzen Denkanstöße – so viel Transparenz sorgt für meditative Erleichterung, aber dämpft das Eintauchen. Die Abwechslung pro Kapitel stimmt, dennoch wiederholt sich gewohnte Mechanik allzu oft.
Inhaltlich ist Ryn ist keine gebrochene Heldin mit tiefer Psychoanalyse – aber auch kein 08/15-Avatar. Ihre Rolle als Vestigium, die in eine Machtverschwörung hineingezogen wird, bringt klassischen Fantasy-Stoff mit. Zusammen mit dem Gelehrten Abram entkommt sie einem totalitären Reich – Spannung entsteht vage, aber die Dynamik zwischen den beiden bleibt ambivalent. Die Dialoge sind solide, aber selten Gänsehautmomente inklusive emotionalem Aspekt. Das Narrativ ist keineswegs neu, aber einigermaßen souverän ins Ziel gelenkt – mit einigen Wendungen, wenigen Überraschungen, aber einem sehr guten Blick aufs Größere.
Die orchestrale Musik, die "Echoes of the End" begleitet, ist atmosphärisch, aber Umgebungsgeräusche fehlen mitunter komplett. Wasserplätschern, Schritte – plötzlich still. Auch das könnte noch ein Patch nachbessern. Das Rundherum passt wiederum: Rund 15 Stunden dauert die Reise durch "Echoes of the End" – zehn Kapitel, etwa 20 verschiedene Gegnerarten und thematisch passend variierende Bosse je Kapitel. Jeder Abschnitt bringt neue Mechaniken und eine neue visuelle Stimmung ins Spiel, das hält die Abwechslung bis Ende hoch. Das Tempo stimmt – lang genug, um zu fesseln, knapp genug, um nicht zu ermüden.
"Echoes of the End" aus dem Hause Myrkur Games ist ein mutiges Videospiel-Debüt: optisch atemberaubend, erzählerisch oft gefühlvoll, technisch aber viel zu oft unter Strom. Zwischen majestätischer Landschaft, emotionalem Treiben und hölzernen Kämpfen oszilliert das Spiel wie eine wilde Fackel im Sturm. Ein mutiger Erstling, der durch visuelle Finesse glänzt, aber unter fehlendem Feinschliff leidet. Und ein tolles Game-Debüt, aber noch kein Genre-Gewinner. Wer für atmosphärische Nordfantasy schwärmt und visuelle Spektakel liebt, darf beherzt eintauchen. Wer eine flüssige Action-Maschine erwartet, könnte dagegen enttäuscht werden.
"Echoes of the End" ist ein vor allem visuell berauschendes Debüt – ein cineastisch inszeniertes Fantasyspektakel, das mit Magie, Moral und nordischem Flair lockt. Doch technische Unzulänglichkeiten und ein manchmal unpräziser Kampf machen den Trip streckenweise holprig. Die Rätsel- und Storyelemente sichern wiederum Sympathiepunkte, ohne für frenetischen Jubel zu sorgen. Für Fans von "God of War" oder "Star Wars Jedi: Survivor" ist "Echoes of the End" einen Blick wert – aber bitte mit der Bereitschaft zur Versöhnung mit kleinen Patzern und der Hoffnung auf noch kommende Updates.