Niederösterreich

EVN-Preise: Gas- und Strompreis bis zu 7 Mal teurer

Mit 1. September hebt die EVN die Strom- und Gaspreise an: Der Konzern schwächt ab, doch der Anstieg ist für viele Haushalte dramatisch.

Strom: EVN hebt Preise mit 1.9. an.
Strom: EVN hebt Preise mit 1.9. an.

Die Energieallianz Austria (EAA) erhöht per 1. September 2022 die Preise für Strom und Gas in Wien und Niederösterreich - mehr dazu hier. Die Index-Anpassung in den Standardtarifen der Wien Energie und der EVN als Teil der EAA wird aufgrund der aktuellen Marktsituation von 1. Jänner 2023 vorgezogen - sprich die Teuerung trifft uns just im ersten Teil der Heizperiode.

Dramatische Preisanstiege

Die "dramatischen Preisanstiege" erforderten das Vorziehen der Anpassung, so die EAA in einer Aussendung. Der Österreichische Strompreisindex (ÖSPI) sei binnen eines Jahres um 247 Prozent gestiegen und der Österreichische Gaspreisindex (ÖGPI) um 323 Prozent, argumentiert die EAA.

Für einen Haushaltskunden mit einem Stromverbrauch - je nach Haushaltsgröße - von 3.500 Kilowattstunden (kWh) beziehungsweise von 2.000 kWh bedeutet die Preisanpassung monatliche Mehrkosten von etwa 57 Euro beziehungsweise 36 Euro. Für Haushaltskunden mit einem jährlichen Gasverbrauch - je nach Haushaltsgröße - von 15.000 kWh beziehungsweise 8.000 kWh bedeutet die Preisanpassung monatliche Mehrkosten von etwa 108 Euro beziehungsweise 60 Euro.

Beispiel vierköpfige Familie

Die EVN beschwichtigt und beruhigt: Die EVN verwies etwa eigens darauf, dass bis zu 17 Prozent Rabatt auf die Stromrechnung möglich seien - zusätzlich zum NÖ Strompreisrabatt des Landes Niederösterreich. Die Preisanpassung per 1. September 2022 gilt für rund 50 Prozent der EVN Haushaltskunden: "Rund die Hälfte unserer Kundinnen und Kunden haben einen klassischen Tarif. Alle anderen haben einen Floating-Tarif, der monatlich an die Energiepreisentwicklung angepasst wird oder haben einen Tarif mit Preisgarantie gewählt", erläuterte EVN-Sprecher Stefan Zach in einer Aussendung. In jener Aussendung zeigt die EVN auch, wie die Entlastungsmaßnahmen greifen.

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    Noch sind die Energiepreise sehr hoch.
    Noch sind die Energiepreise sehr hoch.

    Als Beispiel nannte die EVN etwa eine vierköpfige Familie mit einem jährlichen Stromverbrauch von 4.725 kWh und einem Gasverbrauch von 20.000 kWh. Mit dem EVN-Rabatt, den NÖ-Strompreisrabatt, sowie dem Energiepaket laut Finanzministerium (Steuerentlastung, regionaler Klimabonus und Energiekostenausgleich), verblieben der Familie laut EVN noch Mehrkosten in Höhe von 18 Euro pro Monat oder gut 200 Euro im Jahr. Nur: Da hat noch keines der Kinder gegessen, die Mutter noch nicht eingekauft oder gekocht und keine Schulartikel gekauft und der Vater und/oder die Mama noch nicht getankt. Denn: Der Reallohnverlust ist enorm, die Inflationsrate beträgt fast 10 Prozent.

    "Durch eine zweite Anpassung können wir rascher reagieren und auch allfällige Senkungen schneller an Kunden weitergeben", so der EVN-Sprecher zu der notwendigen Preiserhöhung.

    „Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass ein Jahr ein sehr langer Zeitraum sein kann. Durch eine zweite Anpassung im Jahr können wir rascher reagieren und auch allfällige Senkungen schneller an unsere Kundinnen und Kunden weitergeben“, versucht Unternehmenssprecher Stefan Zach verzweifelt die mutmaßlich positiven Aspekte hervorzukehren. Zahlreiche Begleitmaßnahmen sollen dieser notwendigen Preisanpassung entgegenwirken. „Seitens der öffentlichen Hand wirken etwa der NÖ Strompreisrabatt, der Energiekostenzuschuss oder der Klimabonus dämpfend. Aber auch von der EVN können sich die betroffenen Kunden bis zu 17% der gesamten Stromkosten zurückholen“, sagt Zach.

    Info-Schreiben im August

    Entscheidet sich der Kunde laut EVN etwa aktiv für eine Registrierung im Kundenportal, für eine E-Mail-Rechnung oder für einen Bankeinzug hilft er der EVN die operativen Kosten zu reduzieren. „Diese Ersparnis geben wir unseren Kundinnen und Kunden in den betroffenen klassischen Tarifen gerne direkt weiter“, so Zach. Was genau zu tun ist, erfahren betroffene Kunden mittels eines persönlichen Info-Schreibens im August.

    So schlimm steigen Tarife wirklich

    Wie dramatisch die Preise wirklich steigen können, sei anhand eines Tarifbeispiels erklärt: Ein Kunde aus St. Pölten schloss mit September 2021 beim Neubezug einer Wohnung einen Strom- und Gastarif mit 12 Monate Preisgarantie ab. Der Gaspreis per Tarif Mitte September 2021: 2,2 Cent pro kWh, der Strompreis: 8,7 Cent pro kWh. Nun muss der Kunde mit Ende August einen neuen Tarif aussuchen: 14,8 Cent pro kWh fürs Gas und 34 Cent für Strom. Also rund der 6,5-fache Preis beim Gas und vierfache Preis beim Strom. Die Optionen: Noch einen teureren Tarif mit einer 24-monatigen Preisgarantie oder einen riskanten Float-Tarif wählen.

    500 € für Energie in Singlewohnung

    "Bis Mitte 2021 zahlte ich monatlich 50 Euro für Strom und Gas für eine 65 Qm.-Singlewohnung, bekam aber meist ein Guthaben ausbezahlt. Aktuell zahle ich für 70 Qm., trotz Super-Tarifes, 92 Euro im Monat, um auf Nummer sicher zu gehen. Aber mit den neuen Tarifen würde ich Vorauszahlungen von gut 300 Euro bis zu 400 Euro im Monat für Gas und Strom haben und da ist die Fernwärme noch gar nicht dabei - also rund 500 Euro reine Energiekosten für eine Singlewohnung", bringt es der Kunde auf den Punkt.

    1.000 € Mehrkosten trotz Stromsparens

    Seine Lösung: Eine "Stromspar-Kampflinie" aus Überzeugung: Alle unnötigen Geräte raus, extrem sparen und statt 14 Duschen in der Woche nur 6 Kalt-Duschen pro Woche. "Somit konnte ich bis dato meinen Stromverbrauch um 70 % reduzieren, war aber davor eher ein Verschwender." Auch den Gasverbrauch hat der Kunde halbiert.

    Dennoch: Mit einer neuen Vorauszahlung von 130 Euro bis 200 Euro im Monat muss der Kunde ab Herbst rechnen. Also auch bis zu 1.000 Euro Mehrkosten im Jahr trotz Sparkurses. "Und das bei einem Drittel Strom- und halben Gasverbrauch", rechnet der St. Pöltner vor. "Wie da Familien mit Kindern oder Großfamilien mit pflegebedürftigen Menschen tun sollen, ist mir ein Rätsel. Die meisten Menschen können nicht einfach so auf Warmwasser oder einen Wäschetrockner oder Waschmaschine verzichten."

    Die Energiepakete laut BMF findet der EVN-Kunde weniger prickelnd: "Ich arbeite viel, verdiene gut und soll 500 Euro im Herbst bekommen, wobei ich erst wieder 250 Euro an die Steuer verliere. Und ich bin gespannt, ob ich als braver Energiesparer den 11 Cent-Zuschuss bekomme. Ach ja, die Steuerentlastung rechnet die Regierung ja auch zu den Anti-Teuerungsmaßnahmen. Egal ob Alleinerzieherin, Single-Gutverdiener oder Klein-Unternehmer, Arbeiter oder Großfamilie - der Wohlstandsverlust wird enorm sein, fürchte ich."

    Servicetelefon glüht

    Dass derzeit das EVN-Servicetelefon glüht, ist kein Wunder: Viele verunsicherte Menschen wählen derzeit die Nummer des Servicetelefones. Alleine am Freitag – also fünf Tage vor Bekanntgabe der nächsten Erhöhung - war eine Wartezeit am EVN-Telefon von über einer Stunde.

    "Haushalte am Rand der Existenz"

    Von Seiten der nö. Opposition hagelt es bereits am Mittwoch Kritik: "„Die extremen Preiserhöhungen für Strom und Gas bei der EVN verschärfen die Sozialkrise und treiben immer mehr Haushalte an den Rand ihrer Existenz. Auf die Niederösterreicher kommen jetzt noch einmal zusätzliche Mehrbelastungen von 1.980 Euro zu. Das können sich die Landsleute nicht mehr leisten. Der 11 Cent Zuschuss der Landeshauptfrau Mikl-Leitner verpufft. Das Geld ist noch nicht einmal da und schon wieder weg“, kommentiert FPÖ Landespartei-und Klubobmann im NÖ Landtag, Udo Landbauer, die heute von der EnergieAllianz Austria verkündeten Preiserhöhungen. Der FP-Mann wird noch deutlicher: „Während die EVN-Kunden mit jährlichen Mehrausgaben von 2.000 Euro rechnen müssen, geht Mikl-Leitner mit ihrem 11-Cent-Schmäh hausieren und betreibt Schönwetterpolitik. Dieses unehrliche Schauspiel auf dem Rücken der Landsleute ist unerträglich!“, sagt Landbauer. Und: Die FP hatte bereits Anfang Juli vor einem Stromkostenanstieg um bis zu 200 Euro im Herbst gewarnt - mehr dazu hier.

    "Nicht mehr finanzierbar", so SP-Landesvize Franz Schnabl. "2.000 Euro Mehrkosten, aber Mikl-Leitner kommt mit 11 Cent-Schmäh", so FP-Klubchef Udo Landbauer.

    „Mit der Preiserhöhung bei der EVN kommen auf die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher Mehrkosten von mehreren tausend Euro zu. Das ist für die niederösterreichischen Familien nicht mehr finanzierbar. Die Landeshauptfrau ist gefordert diesem Preis-Irrsinn nicht tatenlos zuzusehen“, sagt Landesvize Franz Schnabl und verweist auf den Aktionsplan der SPÖ gegen die Preisexplosion. „Wir müssen jetzt sofort und nicht irgendwann auf das Schweizer Modell umstellen. Ein Unternehmen wie die EVN, das überwiegend mit Wasserkraft arbeitet, kann den KundInnen nicht einfach den Wucherpreis von Gas verrechnen. Deshalb muss das Merit-Order-Prinzip sofort ausgesetzt werden. Mikl-Leitner soll das bei ihrem Bundeskanzler durchsetzen. Außerdem ist sie als Eigentümervetreterin gefordert: Im schwarzen Tirol gibt es keine derartige Preissteigerung. Das muss in Niederösterreich auch möglich sein. In Tirol ist die Tiwag zu 100 Prozent im Landesbesitz. Sollte sich die EVN gegen faire Preise sträuben, muss das Land das Unternehmen wieder übernehmen."

    "Keine Zeit für Gutscheine, von denen noch keiner was gesehen hat"

    Der Landesvize weiter: "Wir haben schlicht keine Zeit mehr für die Gutscheine der Regierung, von denen noch kein einziger Mensch irgendwas gesehen hat. Wir brauchen jetzt entschlossene Handlungen. Dass das geht, zeigt das Burgenland, wo man die Preisexplosion nicht mitmacht. Es muss endlich gehandelt werden“, schließt Schnabl.

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      Grüne NÖ-Chefin Helga Krismer
      Grüne NÖ-Chefin Helga Krismer
      Die Grünen NÖ

      Regelrecht fassungslos über die am Mittwoch verkündeten Strompreiserhöhungen der EVN zeigt sich die Grüne Landessprecherin Helga Krismer: „Man sieht was der NÖ Strompreisdeckel von Landeshauptfrau Mikl-Leitner nun wert ist: zerplatzt wie eine Seifenblase! Die Erhöhung der Strompreise der EVN und damit der 51% Mehrheitseigentümerin Land Niederösterreich treibt Haushalte zur Kasse. So kann man den NÖ Strompreiszuschuss nur als PR-Show bezeichnen, der kaum Wirkung zeigen wird. Man hätte lieber unseren Vorschlag 1:1 übernehmen müssen - dabei wurde gefordert, dass 80% des durchschnittliche Jahres Gas- und Stromverbrauchs der letzten 3 Jahre mit den Kosten vor der Gaskrise gedeckelt wird. Für den Mehrverbrauch wird der aktuelle Marktpreis vorgesehen. Nun fordere ich die gesamte Landesregierung auf, seine Verantwortung als Mehrheitseigentümer der EVN zu übernehmen und die Strompreislawine im Sinne der Bürger:innen in Niederösterreich zu verhindern“, schließt Krismer ab.

      Das sagt VPNÖ

      Die VPNÖ kann die Kritik nicht verstehen: "Während von FPÖ, Grünen und SPÖ in Wien keine Kritik an der Energieallianz zu hören ist, wird in Niederösterreich offenbar schon Wahlkampf geführt. Obwohl Niederösterreich als einziges Bundesland zur Abfederung sogar schon einen Strompreisrabatt im Vorfeld beschlossen hat", so Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner.

      Kritik aus Wien

      Wahr ist indes, dass sowohl Dominik Nepp (FP) und Karl Mahrer (VP) die Preiserhöhungen in Wien heftig kritisieren. Auch die Grünen Wien finden die vorgezogene Preiserhöhung für Strom und Gas völlig unverständlich. Mehr zu Kritik aus Wien lesen Sie hier.