Die USA griffen in der Nacht auf Sonntag in den Krieg im Iran ein. Israel bombardierte in den Tagen zuvor mehrere Atomanlagen und schaltete hohe Militärs aus. Zudem erklärte Verteidigungsminister Israel Katz, Ayatollah Ali Khamenei dürfe nicht "weiter existieren". Nach einer Woche Krieg stellt sich die Frage: Wird das Regime diesen Konflikt überstehen? Zwei Iran-Experten schätzen ein.
"Auf jeden Fall", sagt Iran-Experte Ali Sadrzadeh. Einerseits schon nur wegen seiner 86 Jahre. Andererseits sei Khamenei angesichts der Situation isoliert. "Er trägt kaum elektronische Geräte, um nicht geortet zu werden – offenbar aus Angst vor einem gezielten Angriff."
Khamenei ist laut Verfassung die zentrale Figur des Systems, betont der deutsch-iranische Journalist Armin Ghassim. "Doch das Regime hängt nicht von ihm ab – seine Rolle wird durch eine andere systemtreue Person ersetzt." Sadrzadeh stimmt zu: Das System verfüge über stabile Strukturen. "In der Islamischen Republik fällt nicht gleich der ganze Körper, wenn der Kopf fehlt." Lokale Machthaber in Provinzen und Städten würden ihre eigenen Interessen verteidigen.
Laut "New York Times" soll Khamenei bereits drei mögliche Nachfolger bestimmt haben – ihre Namen bleiben geheim. Offiziell liegt die Wahl beim Expertenrat, einem Gremium islamischer Gelehrter. Sadrzadeh mahnt zur Vorsicht: Khamenei wolle seine Nachfolge zwar klar regeln. Doch: "Seine Berater wissen mit westlichen Medien zu spielen." Dennoch nennt er als mögliche Nachfolger Ayatollah Alireza Arafi, einen der wichtigsten Geistlichen im Land, oder Mohsen Qomi, Mitglied des Expertenrats. Eine Ernennung des Sohnes von Khamenei sieht er jedoch als wenig wahrscheinlich.
Für Ghassim ist sie ein Zeichen, dass Khamenei die Drohungen, getötet zu werden, ernst nimmt. "Diese Ankündigung zu diesem Zeitpunkt soll dafür sorgen, dass das System stabil bleibt. Selbst wenn er getötet werden sollte, dann wird er zum Märtyrer, und das System soll weiterleben."
"Entscheidend ist die Art des militärischen Drucks", sagt Ghassim. Ein Sturz des Regimes wäre laut ihm nur durch einen langwierigen Krieg mit US-Bodentruppen denkbar – mit hohen Verlusten und Zehntausenden toten Zivilisten. Der Krieg schwäche laut Ghassim vor allem den inneren Widerstand: "Er gibt dem Regime Vorwände, Kritik zu unterdrücken – selbst Regimegegner zeigen nun teils patriotische Reflexe."
Sadrzadeh sieht das differenzierter: "Nach dem Krieg dürfte das Regime mit massiven Protesten rechnen – und mit noch härteren Repressionen reagieren."
"Die Revolutionsgarden sind das Machtzentrum der Islamischen Republik – militärisch, ideologisch, wirtschaftlich und politisch", betont Ghassim. "Sie verfügen über eigene Bodentruppen, Luftwaffe, Marine, ein Raketenprogramm sowie Cyber- und Drohneneinheiten – und sind stärker und einflussreicher als die reguläre Armee."
Sie kontrollieren die Außenposten der "Achse des Widerstands" und überwachen im Inland oppositionelle Bewegungen und Medien. "Zum festen Kern zählen rund 200'000 Mann. Hinzu kommen Hunderttausende registrierte Basijis – abrufbare Paramilitärs, womöglich bis zu einer Million."
"Solange Revolutionsgarden und Armee das Gewaltmonopol halten, bleibt das Regime stabil", sagt Ghassim. Brüche im Sicherheitsapparat, wie 1979, seien nötig – aktuell aber nicht in Sicht. Zwar fehlt dem System zunehmend die ideologische Legitimität, doch der Krieg dürfte es politisch eher stabilisieren als schwächen, glaubt der Journalist.
Sadrzadeh fügt hinzu: Eine Destabilisierung wäre nur möglich, wenn die zersplitterte Opposition geeint auftritt – hinter einer starken Figur. "Im Iran machen Personen Politik, nicht Parteien." Ein solches Szenario hält er derzeit jedoch für wenig wahrscheinlich.