"Schließ die Augen"

Iraner und Freunde hören seltsame Nachrichten am Handy

Wer aus dem Ausland Verwandte im Iran anruft, hört neuerdings eine befremdliche Text-to-Speech-Nachricht. Viele vermuten dahinter das Regime.
22.06.2025, 16:58
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"Hallo und danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, zuzuhören. Das Leben ist voller unerwarteter Überraschungen und diese Überraschungen können manchmal Freude bereiten, manchmal aber auch eine Herausforderung darstellen. Der Schlüssel liegt darin, die Kraft in uns zu entdecken, diese Herausforderungen zu meistern" – wer in den letzten Tagen im Iran Freunde oder Verwandte telefonisch kontaktieren wollte, bekam stattdessen seltsame, vorab aufgezeichnete Sprachnachrichten zu hören.

Die knapp 90 Sekunden lange Nachricht wird von einer Roboterstimme gesprochen. In einem aufgezeichneten Telefon-Anruf, der dem US-Sender CNN vorliegt, wird dem Anrufer zum Schluss geraten, die Augen zu schließen und sich "an einen Ort zu versetzen, der Frieden und Glück bringt".

Nur Handys betroffen

Die mysteriösen Nachrichten werden bei Anrufen aus dem Ausland auf iranische Handys gehört. Sie sollen erstmals am Mittwoch zu hören gewesen sein, nachdem das iranische Regime aus Sicherheitsgründen vorübergehende Beschränkungen des Internetzugangs verhängt hatte. Weil Kommunikationsdienste wie etwa WhatsApp blockiert waren, hatten Menschen begonnen, ihre Freunde und Familie im Iran auf ihre Mobiltelefone anzurufen.

Ellie, eine britisch-iranische Doppelbürgerin, versuchte, ihre Mutter in Teheran zu erreichen. Stattdessen habe sich eine roboterhafte Frauenstimme gemeldet, erzählt die 44-Jährige dem Sender ABC10. "Alo? Alo? Wer ruft an? Mit wem möchten Sie sprechen? Ich bin Alyssia. Erinnern Sie sich an mich?", sagte die Stimme auf Englisch. Ellie legte auf.

Einige Iraner hielten die Nachrichten zunächst für einen israelischen Cyberangriff, doch die meisten vermuten die iranischen Behörden dahinter. Während die meisten Nachrichten auf Englisch gesprochen wurden, haben einige Anrufer auch Nachrichten auf Farsi vernommen.

Störungen auf Netzwerkebene?

Alp Toker, Gründer und Leiter von NetBlocks, einer Nichtregierungsorganisation zur Überwachung der Internet-Governance, glaubt, dass die Nachrichten ein Versuch der iranischen Regierung seien, die Telekommunikation im Rahmen der umfassenderen Internet-Zensurmaßnahmen einzuschränken.

Laut Toker werden die Nachrichten per Text-to-Speech generiert. Er habe das Phänomen schon in der Vergangenheit beobachtet – vor allem dann, wenn der Internetzugang unterbrochen wird. "Manchmal gibt es Werbung für Sommerferien, manchmal einen anderen Unsinn", sagte der Experte.

Ein britischer Telekommunikationsexperte analysierte die CNN-Aufzeichnung: "Der Anruf scheint nach dem zweiten Klingeln abgefangen zu werden, was höchst ungewöhnlich und zutiefst beunruhigend ist. Dies deutet auf Störungen auf Netzwerkebene hin, noch bevor eine Verbindung hergestellt wird."

Nicht das erste Mal, dass der Iran die Kommunikation einschränkt

Alp Toker von NetBlocks gab an, der Internetdienst sei in Teilen Irans am Samstag nach etwa 62 Stunden Störungen teilweise wiederhergestellt worden. "Obwohl sich in einigen Regionen Verbesserungen gezeigt haben, liegt die allgemeine Konnektivität weiterhin unter dem üblichen Niveau, was die freie Kommunikation und den Zugang zu unabhängigen Informationen weiterhin einschränkt", meinte er.

Die iranische Regierung hat den Internetzugang im Land häufig eingeschränkt. Während der landesweiten Proteste im Jahr 2022 führten die Behörden mehrere Internetabschaltungen durch, um abweichende Meinungen zu unterdrücken.

{title && {title} } red,20 Minuten, {title && {title} } Akt. 22.06.2025, 17:47, 22.06.2025, 16:58
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