Junger Kurde

"Um 3 Uhr morgens stürmte die Polizei das Haus"

Um 3 Uhr stürmte die Polizei das Haus einer Familie, weil einer der Söhne die Schweiz verlassen muss. Doch dieser sei nie darüber informiert worden.
22.06.2025, 12:30
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben

Um 3 Uhr nachts stürmte die Polizei Baselland Anfang Juni das Haus einer kurdischen Familie. Das erzählt der älteste Sohn der siebenköpfigen irakischen Familie, die in einer Gemeinde im Kanton Basellandschaft lebt, gegenüber 20 Minuten. Die Polizei soll auf der Suche nach ihm gewesen sein. Dies, weil seine Ausschaffung bevorsteht. Die Familie beschreibt die Nacht als ein traumatisches Erlebnis.

Als die Polizei das Haus der Familie stürmte, sei er bei einem Freund gewesen. "Zum Glück", sagt er rückblickend. "Sonst würde ich jetzt nicht mit Ihnen sprechen können." Die Polizei Baselland bestätigt den Einsatz gegenüber 20 Minuten. "In diesem konkreten Fall war die Polizei lediglich zur Vollzugsunterstützung im Auftrage des Amtes für Migration, Integration und Bürgerrecht Basel-Landschaft, vor Ort", sagt der Mediensprecher der Polizei Basel-Landschaft Roland Walter. Im konkreten Fall sei die betreffende Person nicht vor Ort gewesen. Aus Datenschutz- und Persönlichkeitsrechtsgründen könne die Polizei zum Einsatz keine weiteren Auskünfte geben.

Er schlafe seither nicht mehr dort. "Zu groß ist meine Angst, von meiner Familie getrennt zu werden", sagt der junge Mann. Er empfängt 20 Minuten in der Wohnung seiner Familie. Sie ist einfach eingerichtet, liebevoll, ein Zuhause für die fünf Kinder der Familie. Der junge Mann wirkt bei unserem Treffen ängstlich, traurig und sehr ernst. Für ein Foto stellt er sich zwar zur Verfügung, zieht dafür aber seinen schwarzen Hoodie über den Kopf. "Ich habe Angst, in noch größere Schwierigkeiten zu kommen, wenn man mich erkennt", sagt er.

Die Familie flüchtete 2021 in die Schweiz. Im Baselbiet fanden sie ein neues Zuhause. Die fünf Kinder gehen teils noch zur Schule oder stehen in der Ausbildung. So auch der älteste Sohn, der nun zurück in den Irak muss. Er habe eine Lehre als Coiffeur begonnen, die er voraussichtlich in diesem Sommer abschließen werde, erzählt er gegenüber 20 Minuten.

"Mir wurde nie gesagt, dass ich die Schweiz verlassen muss"

Dass die Gefahr bestehe, dass ihr Sohn die Schweiz verlassen müsste, hätte die Familie vor dem Besuch der Polizei nicht gewusst. Der junge Mann behauptet, nie eine Aufforderung erhalten zu haben, die Schweiz zu verlassen.

Die Polizei habe wohl einen Schlüssel gehabt, denn die Familie lebe in einem Haus, das ihnen von der Gemeinde zur Verfügung gestellt wird, erklären sie. Durch den Lärm seien sie dann wach geworden. Der Vater habe nach seinen Töchtern schauen wollen, die gemeinsam mit dem gesuchten Sohn im oberen Stockwerk des Hauses schlafen. Die Polizistinnen und Polizisten hätten das dem Vater verwehrt. Auch den Grund für den Einsatz hätten sie der Familie nicht nennen dürfen. Sie hätten ihnen erklärt, dass sie ihren Sohn suchen würden. Da dieser aber volljährig sei, dürften sie der Familie keine Auskunft geben.

"Hast du jemanden umgebracht?"

Insbesondere die Mutter habe der Besuch der Polizei sehr mitgenommen. Sie habe ihren Sohn sofort angerufen. "Was hast du gemacht? Hast du jemanden umgebracht?", habe sie immer wieder gefragt. Auch die Geschwister würden seit dem Einsatz der Polizei unter psychischen Belastungen leiden. "Meine kleine Schwester war am nächsten Tag so aufgewühlt, dass sie nicht mehr reden konnte", sagt der junge Kurde. Sein kleiner Bruder hätte seit der Nacht große Mühe, sich zu konzentrieren.

Die Familie kam auf die Idee, dass es um eine Ausschaffung gehen könnte. Am nächsten Tag habe er sich bei seinem Migrationsberater gemeldet. "Ich hatte sehr Angst und wollte mich zuerst nicht mit ihm treffen", sagt der Coiffeurlehrling. Beim Treffen habe er dann ein Schreiben erhalten, das er unterschreiben müsse. Darin wird er aufgefordert, sich an einem ausgewählten Datum beim Grenzwachposten am Euroairport Basel-Mulhouse einzufinden. Das Schreiben liegt 20 Minuten vor.

Für die Familie breche gerade eine Welt zusammen. "Ich habe mein ganzes Leben mit meiner Familie verbracht. Ich kann mir nicht vorstellen, von ihnen getrennt zu sein", sagt der junge Mann, der gerne nach seiner Ausbildung als Coiffeur arbeiten möchte. Er stehe im Kontakt mit einer Anlaufstelle für Asylsuchende und erhofft sich, doch noch in der Schweiz bleiben zu können.

Zwangsmaßnahmen nur bei Missachtung der Wegweisung

Zum Einzelfall konnte das Amt für Migration, Integration und Bürgerrecht gegenüber 20 Minuten keine Auskunft geben. Zwangsmaßnahmen würden aber erst dann angeordnet werden können, wenn die betroffene Person der Wegweisung durch das Staatssekretariat für Migration (SEM) nicht nachgekommen sei, so Direktionssprecher der Sicherheitsdirektion Basel-Landschaft Andreas Schiermeyer. Personen, die über eine gültige Aufenthaltsbewilligung verfügen würden, könnten grundsätzlich nicht ausgeschafft werden.

"Es sei denn, die Person wäre von einer Landesverweisung nach dem Strafgesetzbuch betroffen", so Schiermeyer weiter. Über eine Wegweisung entscheide das Staatssekretariat für Migration. Über eine Verfügung würden die betroffenen Personen erfahren, dass sie das Land verlassen müssen. Zudem erfolge im Vollzugskanton ein Ausreisegespräch, indem die Ausreisepflicht eröffnet werde.

{title && {title} } 20 Minuten,wil, {title && {title} } 22.06.2025, 12:30
Jetzt E-Paper lesen