Wellen bilden sich nicht nur an der Wasseroberfläche, sondern auch in der Tiefe eines Gewässers. Im Genfersee wurde jetzt eine ganz spezielle Wellenart entdeckt: Sie tritt in dreißig Metern Tiefe am stärksten auf und wandert im Gegenuhrzeigersinn am Ufer des Alpenrandsees entlang.
Die Wellenart bewegt sich mit bis zu 30 Zentimetern pro Sekunde fort und pendelt dabei in einem Bereich von 25 Metern. Sie wandert in fünf Tagen etwa einmal um den Genfersee herum. Die Welle entsteht nicht durch Wind, sondern durch Temperaturunterschiede zwischen den verschiedenen Gewässerlagen im See.
Der Erstautor der Studie, Rafael Reiss von der University of Cambridge, sagt: "Die Strömung, die dadurch entsteht, ist mit Abstand die stärkste, die wir diesen Sommer gemessen haben. Damit gehört sie zu den stärksten im See überhaupt." Da die Bewegung so mächtig ist, beeinflusst sie den Transport von Sedimentpartikeln sowie Schad- und Nährstoffen im Küstenbereich.
Diese werden neben der Rhone auch von vielen kleineren Flüssen und Abwasserleitungen in den See getragen. Die Forschenden können nun die Verteilung des Materials modellieren. Eine Simulation zeigte beispielsweise, dass im Wasser schwebende Partikel durch die sogenannte V2-Kelvin-Welle den ganzen Juli lang am Ufer entlang getrieben werden.
Obwohl der Genfersee zu den besterforschten Seen der Welt gehört, ist den Forschenden das spezielle Phänomen bisher noch nicht aufgefallen. Ein Grund dafür ist laut Reiss, dass die Messungen bislang nicht an den richtigen Stellen stattfanden. Wenn die Sonden zu nahe am Ufer oder in der falschen Tiefe platziert sind, können sie zwar starke Strömungen feststellen, nicht aber nachvollziehen, durch welche Wellenart diese entstehen.
Das Forscherteam ist sich sicher, dass V2-Kelvin-Wellen auch in anderen Seen zu finden sind: "Es handelt sich unseren Ergebnissen nach nicht um etwas Exotisches, das nur im Genfersee zu erwarten ist. Man muss nur genau hinschauen und wissen, wonach man sucht." Ein heißer Kandidat wäre laut Reiss der Bodensee.