In der Nacht vom 18. auf den 19. Jänner 2025 verstarb eine 33-jährige Bergsteigerin auf dem Großglockner. Ihrem 36-jährigen Freund, der sie damals begleitet hatte, wirft die Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung vor.
In zwei Monaten soll der Prozess beginnen. In der Zwischenzeit schlägt der Fall Wellen in der internationalen Bergsteigerwelt. Experten nehmen die Geschehnisse unter die Lupe und geben ihre Einschätzung ab. Im Bergsteiger-Magazin "Climbing" sehen einige im merkwürdigen Verhalten des Angeklagten "einen typischen Fall von Gipfelfieber".
Zwei argentinische Extrembergsteiger und Bergführer, Damian und Willie Benegas, erhielten Einsicht in die Fehlerliste, die die Innsbrucker Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorwirft. Die Zwillingsbrüder zeigen wenig Verständnis für das Verhalten des Bergsteigers. Aber sie scheinen eine Erklärung zu haben.
Die Brüder sehen es als "typisches Beispiel für Gipfelfieber". "Wenn etwas schiefgeht, reagieren manche Menschen als Erstes mit den Worten 'Uns geht es gut, wir schaffen das!'", erklärte Willie. Im Bergsteiger-Milieu wird der Ausdruck "Gipfelfieber" verwendet, um eine Art Sucht zu beschreiben.
"Sie bewirkt, dass sich die gesamte Wahrnehmung auf das Erreichen des Gipfels verengt, ungeachtet der möglichen Konsequenzen. Risiken müssen dabei nicht zwangsläufig aus Leichtsinn bewusst in Kauf genommen werden, sie können schlichtweg ausgeblendet und verdrängt werden", schreibt das Online-Magazin bergwelten.com.
Als die Frau nur 30 Meter unter dem Gipfel vor Erschöpfung nicht mehr weiterkonnte, ließ ihr Freund sie zurück, um Hilfe zu holen. Einem Rettungshelikopter, der auf die Alarmierung anderer Bergsteiger hin nach den zwei gesucht hatte, signalisierte er, es gebe keine akute Gefahr.
Zudem streitet der Mann mit der Polizei darüber, wann er einen Notruf abgegeben habe. Laut ihm geschah das bereits um 0.35 Uhr, während die Beamten darauf bestehen, dass er sie erst um 3.30 angerufen hatte. Der Angeklagte streitet jegliche Vorwürfe ab. Der Prozess beginnt in zwei Monaten. Es gilt die Unschuldsvermutung.