Celal Kilic (42) verkörpert das, was man gemeinhin als vorbildliche Integration bezeichnet. Der in der Türkei geborene muslimische Kurde hat vor zehn Jahren in Hannover (Niedersachsen) seinen ersten Friseursalon eröffnet. Mittlerweile betreibt er zwei weitere Standorte. Ein erfolgreicher Geschäftsmann also, der zahlreiche Mitarbeiter beschäftigt.
Mit einer Werbeaktion geriet er nun aber in Negativschlagzeilen – dabei wolle er "Menschen nicht auseinander-, sondern zusammenbringen", wie er der deutschen "Bild"-Zeitung erklärte.
Worum geht es? Seit kurzem klebt auf dem Schaufenster seines Friseursalons "Istanbul" ein großes Werbeplakat. Darauf lächelt eine Frau mit Kopftuch. Darunter in großen Buchstaben der Werbespruch: "MITTWOCHS 40 % RABATT AUF ALLES", dazu im Stempel-Stil "Ladies only". So weit, so gut. Ein Friseursalon mit Frauenrabatt?
Das könnte angesichts der höheren Preise für Damenhaarschnitte noch gerechtfertigt sein, zumal nur an einem einzigen Tag pro Woche. Rechtlich sicherer wäre es jedoch, nach Haarlänge zu unterscheiden und nicht nach Geschlecht. Sonst könnten sich Männer diskriminiert fühlen.
Doch das ist in diesem Fall nicht der springende Punkt. Der findet sich im folgenden Satz: "Nur für Damen mit Kopftuch". Eine 82-jährige Hannoveranerin störte sich an diesem Satz. "Als Frau, die kein Kopftuch trägt, möchte ich nicht benachteiligt werden", erklärte sie der "Hannoveraner Zeitung" ("HAZ"). "Ein solches Vorgehen empfinde ich als ausgrenzend".
Von der "HAZ" auf den Vorwurf angesprochen erklärt Kilic den Hintegrund dieser Werbeaktion. Er habe kürzlich im Obergeschoss einen neuen Bereich eingerichtet, der mittwochs nur für Frauen geöffnet ist. Dort werden dann auch ausschließlich Frauen arbeiten. Der Grund dafür liegt auf der Hand: "Viele Musliminnen nehmen ihr Kopftuch nicht ab, wenn Männer dabei sind".
Ein Bereich nur für Frauen also? Auch das ist rechtlich gesehen kein Problem, wenn es sachlich gerechtfertigt ist – was in diesem Fall mit der besonderen Schutzbedürftigkeit bzw. der nötigen Privatsphäre von (religiösen) Frauen argumentiert werden könnte. Vorausgesetzt, der Frauenbereich ist für alle Frauen zugänglich und nicht nur für eine bestimmte Religionsgruppe. Aber genau das ist der Haken. Kilic' Frauenbereich ist nur für "Frauen mit Kopftuch".
Zwar erklärt Kilic', dass auch Christinnen und Jüdinnen mit Kopftuch zu ihm kommen können. "Sie müssen eben nur Kopftuch tragen." Doch dass sich das Angebot primär an Muslima richtet, das ein "typisches Merkmal für eine bestimmte Religion ist", wie der Rechtswissenschafter Gregor Thüsing (54) in der "Bild" erklärt, lässt sich wohl kaum abstreiten.
Zurück zur 82-jährigen Seniorin. Sie wandte sich in diesem Fall an die Antidiskriminierungsstelle der Stadt. Aber dort drückt man sich vor einer klaren Stellungnahme. "Unsere Stadt lebt von ihrer Vielfalt. Dazu gehören selbstverständlich auch Frauen, die ein Kopftuch tragen", scheint man dort den Kern der Kritik – ein Rabatt, der nur für eine bestimmte religiöse Gruppe gilt – nicht zu verstehen.
Man verstehe zwar, dass sich die 82-jährige Seniorin "irritiert" fühle, doch würden muslimische Frauen vielfach benachteiligt, wird die Sprecherin der Antidiskriminierungsstelle von der "HAZ" zitiert. „Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben und den gleichen Respekt erfahren", heißt es weiter, bevor doch eine vorsichtige Positionierung stattfindet: "Kundenwerbungen wie diese sind dazu aus unserer Sicht aber nicht geeignet."
"Unser Ziel ist eine Stadtgesellschaft, in der Unterschiede nicht trennen, sondern bereichern", so die Sprecherin der Behörde. Dennoch wolle man nicht einschreiten, windet man sich schließlich aus der Zuständigkeit: "Das Tragen eines Kopftuchs sei eine persönliche Entscheidung, gedeckt von der Religionsfreiheit", zitiert die "HAZ" die Sprecherin. Bei der Werbeaktion handle es sich um eine privatwirtschaftliche Angelegenheit: "Wir als Antidiskriminierungsstelle können daher in diese unternehmerischen Entscheidungen nicht eingreifen."
Kilic' begründete in der "Bild" dann auch, dass es "wenig geschützte Angebote für Frauen mit Kopftuch" gebe, was eine Mitarbeiterin bestätigte: "Viele Kundinnen mit Kopftuch erzählen uns, dass sie sich die letzten Jahre die Haare selbst geschnitten oder gefärbt haben". Damit ließe sich eine reine "Frauenzone" im Friseursalon höchstwahrscheinlich gut rechtfertigen. Aber rechtfertigt es auch, dass diese Frauen 40 % Rabatt erhalten – und "weniger diskriminierte" Frauen den vollen Preis zahlen?
Das sieht der Verfassungsexperte Volker Boehme-Neßler (Uni Oldenburg) laut "Bild" nicht so. Er hält den Kopftuch-Rabatt für "eine klare Diskriminierung der Nicht-Musliminnen", für die es auch keine sachliche Begründung gebe. Er sagt deutlich: "Ein geschützter Raum für Frauen, ja. Aber ein Rabatt nur für Frauen mit Kopftuch, nein!"
Auch der von der "HAZ" befragte Theologe und Gründer des Zentrums für interreligiöse und interkulturelle Bildung in Hannover, Wolfgang Reinbold, sieht hat kein Verständnis für die Rabattaktion in dieser Form. "Es widerspricht faktisch dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Religionen."