Kennst du das? Die beste Freundin bringt einen neuen Partner mit, der einfach unerträglich ist. Oder der Kollege, der neben dir sitzt, riecht ständig nach Schweiß. Und bei jedem Besuch fängt die Schwiegermutter wieder mit dem gleichen Gejammer an. Solche Sachen können einem im Alltag ordentlich zusetzen. Darüber zu reden kostet Überwindung – und wenn man’s falsch angeht, endet das Ganze schnell in einem Streit.
Wie "NTV" berichtet, weiß die deutsche Paar- und Familienberaterin Ruth Marquardt, wie man heikle Themen trotzdem anspricht, ohne eine peinliche Szene zu riskieren oder das Gegenüber zu verletzen.
"Sprechen Sie heikle Themen zeitnah an. Je eher man die Situation benennt, desto weniger Druck baut sich auf und desto besser können sich alle an die Situation erinnern. Dinge, die wir schon seit Monaten oder Jahren vor uns herschieben, hat Ihr Gegenüber womöglich längst vergessen." Aber: Das Gespräch sollte nicht zwischen Tür und Angel passieren, warnt Marquardt. "Es ist wichtig, nicht plötzlich vorwurfsvoll oder grantig herauszuplatzen, nur weil man schon seit Wochen genervt ist. Besser ist es, einen ruhigen Moment zu zweit zu suchen."
„Einfach und direkt – in einem passenden Moment“So sollte man laut der Paar- und Familienberaterin ein sensibles Thema zur Sprache bringen
Laut Marquardt ist es wichtig, ganz klar zu sagen, was einen konkret in der Situation gestört hat. "Formulieren Sie genau das. Nichts aus der Vergangenheit oder von vor drei Jahren." Und: Nicht lange herumreden. "Einfach und direkt – allerdings in einem passenden Moment – transportiert sich eine Botschaft, die uns möglicherweise unangenehm ist, am besten", rät die Expertin.
Beim Beispiel mit dem Kollegen, der müffelt, solltest du also nicht sagen: "Du riechst immer unangenehm", sondern lieber: "Mir ist in den letzten Tagen aufgefallen, dass ich einen unangenehmen Geruch bei dir wahrgenommen habe."
Wenn du deinem Gegenüber mit einem inneren Lächeln und Verständnis begegnest, wirkt sich das auf deine Ausstrahlung und den Ton aus. "Im direkten Gespräch, am besten mit Augenkontakt und einer Haltung von Freundlichkeit, können wir Kritik besser annehmen", weiß Marquardt. Eine höfliche und achtsame Ansprache hilft, zum Beispiel mit: "Darf ich dich auf etwas hinweisen, was mir aufgefallen ist?" So hat der andere die Möglichkeit, Ja zu sagen, und du kannst dein Anliegen vorbringen.
„Darf ich dich auf etwas hinweisen, was mir aufgefallen ist?“Diesen Satz empfiehlt die Expertin, um ein heikles Thema anzusprechen
Gut ist, wenn du mit einer Ich-Botschaft startest und klarmachst, dass es um deine eigene Wahrnehmung geht. Zum Beispiel mit "Mir ist aufgefallen". Oder du gibst zu, dass du selbst auch Schwächen hast, und stellst dich damit auf eine Stufe mit dem anderen: "Weil mir das schon einmal so gegangen ist, war ich froh, dass mich jemand darauf angesprochen hat."
"Das schafft eine Verbindung, die hilft, die unangenehme Nachricht anzunehmen", sagt die Paarberaterin. "Wir fühlen uns weniger vor den Kopf gestoßen oder allein mit dem Thema. Ein wenig Höflichkeit und die Frage, was man sich selbst in so einer Situation wünschen würde, kann helfen, ganz eigene Formen der Formulierung zu finden."
Hol dir keine anderen als "Zeugen" dazu, die angeblich das Gleiche denken. Wenn du zum Beispiel sagst, dass das auch schon "anderen im Büro" aufgefallen ist, wird’s nur komplizierter. "Für den Menschen, mit dem wir 1 zu 1 sprechen, kann dann schnell der Eindruck entstehen, dass schon über ihn gesprochen wurde. Das führt zu einem Gefälle, zu einem Ungleichgewicht, einer gegen viele – und wer will das schon?" Außerdem beschämst du dein Gegenüber, weil es sich fragt, wer schon alles informiert ist. "So entsteht große Unsicherheit und genau diese Unsicherheit kann Ihre freundschaftliche Beziehung zueinander massiv angreifen", sagt Marquardt.
Warum machen das trotzdem viele? Oft, weil sie sich selbst unsicher fühlen, die unangenehme Botschaft allein zu überbringen. Sie trauen sich nicht zu, mutig zu ihrer Wahrnehmung zu stehen und "borgen" sich die Autorität von anderen. Aber Marquardt weiß: "Der Schuss geht leider fast immer nach hinten los."