Am 2. Jänner 2025 wurde die Untersuchungsstelle für Gewaltbetroffene der Medizinischen Universität Wien am Zimmermannplatz 1 (Alsergrund) eröffnet – und sie hat offenbar regen Zulauf. Denn in den ersten acht Monaten wurden bereits 400 telefonisch Anfragen registriert.
Die Ambulanz bietet eine Dokumentation von Verletzungen inklusive Fotodokumentation und gerichtsmedizinischen Spurensicherung nach Gewalteinwirkung. Voraussetzung für die Untersuchung ist eine telefonische Kontaktaufnahme. In 293 Fällen wurde nach dieser telefonischen Kontaktaufnahme eine klinisch-forensische Untersuchung durchgeführt. Bei den restlichen 107 Anfragen waren etwa die Vorfälle zu lange her oder es ergaben sich andere nicht die Untersuchungsstelle betreffende Fragen (Zuweisung an die richtigen Stellen).
"In 24 Prozent der Fälle wurden die Untersuchungen aufgrund von sexualisierter Gewalt durchgeführt und in acht Prozent der Fälle bestand der Verdacht auf die Aufnahme von K.o.-Mitteln. In der überwiegenden Anzahl der restlichen Fälle hat es sich um Fälle häuslicher Gewalt bzw. Gewalt im sozialen Nahraum gehandelt", zog Katharina Stolz, Leiterin der Untersuchungsstelle, im Rahmen einer Pressekonferenz eine erste Bilanz.
Medizinische Universität Wien
Zimmermannplatz 1
1090 Wien, Österreich
Vor dem Besuch der Ambulanz anrufen unter +43 (0)1 40160-35700 (täglich, auch am Wochenende, 8 bis 16 Uhr)
E-Mail: [email protected]
Wichtig! Es erfolgt keine Behandlung von Verletzungen durch die Mitarbeiter:innen der Untersuchungsstelle.
Die betroffenen Personen – laut Stolz waren 84 Prozent davon weiblich – wiesen ein Alter zwischen einem (!) und 92 Jahren auf. Zudem waren auf "Heute"-Nachfrage 15 Prozent Männer und ein Prozent non-binär. Erschreckend: In 50 Fällen waren auch Minderjährige von Gewalt betroffen.
Etwa je zur Hälfte wurden die Untersuchungen in der Untersuchungsstelle und in einem interdisziplinären Setting in Krankenanstalten durchgeführt. Etwa ein Drittel der Betroffenen kommt über Vermittlung von medizinischem Personal, ein weiteres durch Ermittlungsbehörden und Opferschutzeinrichtungen und das restliche Drittel von sich aus, sagte Stolz.
Stolz betonte, dass die forensische Dokumentation nicht nur den Betroffenen Sicherheit gebe, sondern auch die Ausgangslage für mögliche Gerichtsverfahren verbessere. Demnach sei auch in 53 Prozent der Fälle eine Anzeige erfolgt. Wobei den Betroffenen möglichst viel Bedenkzeit dafür eingeräumt werde: Beweismittel würden für mindestens zehn Jahre aufbewahrt, betonte Stolz. Derzeit seien vier Ärzte im Einsatz (zwei teilen sich eine Vollzeit-Stelle), im Herbst sollen noch ein bis zwei weitere dazu kommen.
"Wir haben mit diesem hohen Bedarf gerechnet. Derzeit sind wir zum Glück noch nicht bei einer 100-prozentigen Auslastung. Wir bemerken aber einen graduellen Anstieg. Wenn der Bedarf weiter so steigt, müssen wir noch Personal aufstocken", meint Stolz zu "Heute".
MedUni-Direktor Markus Müller zeigte sich von der Untersuchungsstelle überzeugt: "Zahlreiche Menschen, überwiegend Frauen, haben das Angebot bereits genutzt. Im Zentrum stehen die gerichtsverwertbare Dokumentation, Spurensicherung und die umfassende Betreuung der Betroffenen. Damit verbessern wir die Ausgangslage für spätere Verfahren und stärken zugleich die Sensibilisierung für die Anliegen von Gewaltopfern innerhalb der Medizin."
"Gewalt gegen Frauen ist kein privates Problem, sondern muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe erkannt werden. Mit dem Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen haben wir einen Schulterschluss von Politik, Expert:innen und Zivilgesellschaft erreicht, mit dem wir Lücken im Gewaltschutz erkennen und schließen werden – denn ein gewaltfreies Leben ist das Recht jeder Frau", betonte auch Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ).
"Die Bilanz der Wiener Untersuchungsstelle für Gewaltbetroffene zeigt schon nach wenigen Monaten, wie notwendig und wirksam diese Arbeit ist. Als niederschwellige Anlaufstelle vereint die Gewaltambulanz die Expertise aus Medizin, Justiz und Opferschutz – mit dem Ziel, Straftäter effektiver zu verfolgen und Betroffene, überwiegend Frauen, besser zu schützen", führte zudem Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) aus.