Glattauer über seinen Tod

"Ich bin dabei, das Leben zum letzten Mal zu treffen"

"Heute"-Kolumnist Niki Glattauer hat sich dazu entschlossen, selbstbestimmt zu sterben. Sein letztes Interview über das Leben und den Tod.
Christian Nusser
03.09.2025, 05:10
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Lest den folgenden Text nur, wenn ihr euch dazu in der Lage fühlt. Im untenstehenden Interview mit Niki Glattauer geht es um begleiteten Suizid. Das Lesen kann belastend sein. Bitte nehmt davon Abstand, wenn ihr euch dazu nicht in der Lage fühlt.

Niki wollte reden

Er wollte ausdrücklich darüber reden. Niki Glattauer sitzt in seiner Gemeindebau-Wohnung in Wien-Favoriten. Es geht ihm gut an diesem Tag. Es ist der 25. August. Da hat er noch zehn Tage zu leben.

Niki ist an Krebs erkrankt, unheilbar. Er hat sich für begleiteten Suizid entschieden. Das ist in Österreich seit 2022 erlaubt.

Er will eine Debatte über das Thema anstoßen und deshalb sitzt er nun mit zwei Wegbeleitern am Wohnzimmertisch: Christian Nusser, ehemaliger Chefredakteur von "Heute" und nunmehriger "Newsflix"-Chef; und Florian Klenk, Chefredakteur des "Falter".

Suizidgedanken? Hol dir Hilfe, es gibt sie
Wenn du unter Selbstmord-Gedanken, oder Depressionen leidest, dann kontaktiere die Telefonseelsorge unter der Nummer 142, täglich 0-24 Uhr
Kriseninterventionszentrum: 01/4069595

Das Interview

"Heute": Niki, du bist 66 Jahre alt, du hast deinen Sterbetag selbst ausgesucht, es ist der 4. September dieses Jahres. Warum möchtest du darüber öffentlich sprechen?

Niki Glattauer: Ich möchte die Menschen darüber informieren, dass man auch in Österreich selbstbestimmt sterben kann, wenn man unheilbar krank ist. Ich habe eine Krebsdiagnose, Gallengangkrebs, mir bleibt nicht viel Zeit. Aber ich bin nicht einer, der um jeden Preis leben will. Da erfuhr ich, dass man für einen assistierten Suizid gar nicht mehr in die Schweiz fahren muss, sondern dass man das auch in Österreich machen kann.

Welches Prozedere musstest du durchlaufen?

Ärzte stellten fest, ob ich wirklich sterbenskrank bin – das ist in Österreich die Voraussetzung. Ich muss alle Sinne beisammen haben und darf diese Entscheidung nicht unter Druck treffen, sondern kraft meines freien Willens. Zwei Ärzte waren da. Ein Intensivmediziner, der auch Palliativmediziner ist, hat mich aufgeklärt, die Diagnose des Spitals studiert und dann gemeint, in meinem Fall brauche ich nicht einmal die drei Monate warten, die normalerweise Frist sind. In meinem Fall könne man die Frist auf zwei Wochen reduzieren, weil ich in einem sehr fortgeschrittenen Stadium Krebs habe.

Das gesamte Interview findet ihr auf newsflix.at

Als Text Niki Glattauer über sein Leben und warum er sich für den Tod entschieden hat

Als Video Das komplette Gespräch zum Anschauen

Als Podcast Über eineinhalb Stunden lang. Das Interview zum Anhören

Plus: Ist begleiteter Suizid in Österreich überhaupt erlaubt?

Wie ist der Entschluss gereift?

Ich habe mein ganzes Leben lang an den Tod gedacht, schon als Schüler. Und ich habe mir immer schon gedacht, am schönsten wäre es, wenn man sein Lebensende selbst bestimmen könnte.

Für viele ist der Krebs ein Feind, den sie besiegen wollen.

Für mich ist er kein Feind. Ich will ihn nicht bekämpfen. Der Krebs ist ein Teil von mir.

Warum entscheidet man sich gegen den Kampf fürs Leben und für den Tod?

Weil ich die Vor- und die Nachteile gegeneinander abgewogen habe. Ich hatte ein glückliches Leben, das Leben war gut zu mir. Jetzt fangen die schweren Krankheiten an. Und ich bin ein Holzklasse-Patient. Ich habe ein Herzproblem. Jetzt kommt der Krebs dazu. So will ich nicht leben. Ich habe mein Konzert zu Ende gespielt.

Welchen Stellenwert haben die Hinterbliebenen bei der Entscheidung?

Natürlich spielen sie eine Rolle. Ich habe sie gehört, aber sie durften nicht mitentscheiden. Ich habe meine Kinder und auch meine Ex-Frau immer schon darauf vorbereitet, dass es eine Möglichkeit für mich ist, dass ich mein Leben selber beende, wenn ich unheilbar krank werde. Denn meine Verwandten sind alle so elendiglich gestorben. Das finde ich so würdelos.

Haben die Verwandten versucht, dir das auszureden?

Mein Sohn (16, Anm.) hat großes Verständnis, der sagt: "Papi, ich würde an deiner Stelle wahrscheinlich genauso handeln." Auch meine Tochter (22, Anm.) – sie sagt es nicht so klar.

Wie läuft dein Sterben ab?

Würdevoll. Es wird hier in dieser Wohnung passieren, in der ich mein ganzes Leben verbracht habe. Eine Ärztin und eine diplomierte Krankenschwester werden bei der Tür hereinkommen und dann wird es schnell gehen.

Hast du Angst?

Nein, aber was ich nicht bedacht habe, ist, dass alles, was ich mache, das letzte Mal geschieht. Als ich jetzt in Thailand war, bin ich ins Meer gegangen und habe mir gedacht: "Niki, das war das letzte Mal, dass du im Meer warst."

„Ich heule zwischendurch viel. Es führt zur Erkenntnis, dass das Leben jetzt endet.“

Was macht das mit einem?

Es macht traurig. Also ich heule schon viel zwischendurch.

Aber das Weinen führt nicht zu Zweifel?

Nein, es führt zur Erkenntnis, dass das Leben jetzt endet.

Viele Menschen lehnen den assistierten Suizid ab, weil sie fürchten, dass die Alten unter Druck gesetzt werden könnten.

Deshalb gibt es ja dieses Prozedere mit Ärzten und Notaren.

Was war deine Prognose?

„Ich werde verbrannt werden und meine Asche wird am Zentralfriedhof in einem Urnengrab unter einem Ginkgobaum beerdigt.“

Weniger als ein Drittel überlebt zwei oder drei Jahre.

Die Ärzte im Spital haben auch nicht abgeraten?

Ich war bei den Barmherzigen Brüdern, ein katholisches Haus. Dort ist kein Arzt, der sagt: "Ja, recht haben Sie, gehen Sie sterben, Suizid ist super." Und jetzt kommt noch etwas dazu. Der Kapitalismus – das muss ich jetzt als bekennender Linker sagen – zerstört auch die medizinische Versorgung der Menschen, weil er auf Optimierung der Ressourcen setzt. Das heißt, wir haben zu wenig Krankenhauspersonal. Wir haben Krankenschwestern, die wir schlecht bezahlen, und daher kriegen wir auch keine. Die waren alle lieb, aber die haben ja gar keine Zeit. Und dann sprechen sie auch noch nicht Deutsch, weil wir Pflegepersonal aus dem Ausland nehmen, weil es billiger ist und weil es die Österreicher nicht mehr machen. Ist das ein würdiges Sterben?

Da klingt durch, dass mangelnde Ressourcen bei deiner Entscheidung eine Rolle spielen.

Das spielt eine Rolle.

Hast du eine Vorstellung vom Leben danach?

Ich werde verbrannt werden und meine Asche wird am Zentralfriedhof in einem Urnengrab unter einem Ginkgobaum beerdigt. Ich finde, das ist ein schöner Gedanke.

Hast du Angst vorm Sterben?

Mehr lesen bei "Newsflix"

Das gesamte Interview findest du ab sofort online auf newsflix.at

Vorläufig nicht. Mir sagt jeder, das kommt noch. Jeder Abschied ist traurig. Jemanden zum letzten Mal zu treffen, ist auch traurig. Und ich bin dabei, das Leben zum letzten Mal zu treffen

{title && {title} } cnn, {title && {title} } Akt. 03.09.2025, 11:42, 03.09.2025, 05:10
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