Nach Delta-Ankündigung

Individuelle Flugpreise mit KI: So realistisch ist das

Delta Airlines will mithilfe künstlicher Intelligenz Flugpreise individuell auf Kunden zuschneiden. Ist das die Zukunft? Das sagen Experten.
20 Minuten
22.07.2025, 09:00
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Delta Airlines kündigte an, künftig verstärkt auf künstliche Intelligenz zu setzen, um Flugticketpreise dynamisch festzulegen. Laut der amerikanischen Fluggesellschaft sollen die Preise individuell auf die Kundinnen und Kunden zugeschnitten werden – unter Berücksichtigung ihrer Zahlungsbereitschaft.

Doch wie stark kommt KI bereits heute bei der Preisgestaltung zum Einsatz – und was bedeuten solche individuellen Preise für Reisende? "20 Minuten" hat bei zwei Experten nachgefragt.

So sieht die Situation heute aus

"Fluggesellschaften setzen Ticketpreise nicht nur basierend auf der tatsächlichen, sondern auf der erwarteten Nachfrage fest", sagt Luftfahrtexperte Cord Schellenberg. Dabei spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle, etwa:

Die Faktoren:

  • Wie war die Nachfrage zum besagten Datum in den vergangenen Jahren?
  • Wann beginnen wo die Sommerferien?
  • Welche Großanlässe finden an bestimmten Orten statt?
  • Welche Preise verlangt die Konkurrenz?

Während solche Daten früher noch manuell ins System eingegeben wurden, mache das heute eine KI. "Seit Jahrzehnten versuchen Airlines, mit Algorithmen die Nachfrage vorherzusagen und die Preise entsprechend anzupassen", sagt der KI-Experte Nicolas Eschenbaum. "Dank KI können heute aber viel größere Datenmengen verarbeitet werden." Dadurch seien genauere Prognosen möglich.

Auch die Swiss setzt für die dynamische Preisgestaltung auf gewissen Strecken Algorithmen und KI-Tools ein. Bis Ende des Jahres will die Airline die auf KI-Tools basierende dynamische Preisfindung auf das gesamte Streckennetz ausgeweitet haben.

Das ist bei Delta Airlines neu

Delta will bei der dynamischen Flugpreisgestaltung stärker auf KI setzen – das alleine sei aber nichts Neues, sagt Eschenbaum. Neu sei vielmehr, dass die Fluggesellschaft individuelle Preise basierend auf der Zahlungsbereitschaft einzelner Kundinnen und Kunden anbieten wolle. Auf welche Daten man dabei konkret zurückgreifen will, ist unklar. Der KI-Experte Roger Dooley schreibt bei Forbes, dass künftig viele Faktoren, etwa "deine Kreditinformationen, deine bisherige Flugbuchungs-Historie, deine Preissensibilität" einen Einfluss darauf haben könnten, welchen Preis du für ein Flugticket bezahlst.

So realistisch ist das

"Dass Fluggesellschaften künftig personalisierte Preise anbieten, ist durchaus denkbar. Und es gibt auch Bestrebungen der Branche in diese Richtung", sagt Eschenbaum. Aktuell sei das jedoch noch "Zukunftsmusik". Im Fall Delta sei beispielsweise unklar, wie die Airline den Kunden oder die Kundin während des Buchungsprozesses überhaupt eindeutig identifizieren könnte.

"Ein Kunde müsste sich etwa beim Kauf mit seiner Treuekarte auf der Website der Fluggesellschaft einloggen, damit die Airline überhaupt auf vergangene Daten von ihm zurückgreifen und etwas über sein vergangenes Buchungsverhalten erfahren kann." Aus der IP-Adresse könne beispielsweise nicht viel mehr als die geografische Position ausgelesen werden. Schellenberg sieht das ähnlich: "Die Ankündigung von Delta klingt nach Marketing-Gedonner. Sie verpassen dem bekannten Dynamic Pricing einfach ein neues Etikett."

Entscheidend sei aber vielmehr, dass es verschiedene Drittanbieter gebe, über die derselbe Flug gebucht werden könne, so Eschenbaum. "Wenn eine Airline auf ihrer Website von einem Kunden aufgrund vermeintlich hoher Zahlungsbereitschaft mehr verlangt, kann dieser über einen Drittanbieter den hohen Preis umgehen, statt direkt auf der Website der Airline zu buchen – oder direkt bei der Konkurrenz buchen."

Das sind die Gefahren

Konsumentenschützer in den USA reagierten heftig auf die Pläne: Die Rede war von "räuberischer Preisgestaltung" und Airlines, die "unsere Hirne hacken". Sollte personalisierte Preisgestaltung tatsächlich Realität werden, droht laut Eschenbaum die Gefahr, dass Airlines die individuelle Zahlungsbereitschaft ausnutzen und die Kundschaft gezielt abschöpfen. Doch es gebe nicht nur konsumentenschützerische Fragen, sondern auch solche nach dem Datenschutz. "Fluggesellschaften würden sich wohl juristischen Risiken aussetzen, wenn sie ohne Berechtigung persönliche Daten verwenden oder weitergeben", so Eschenbaum.

Die heute gängige dynamische Preisgestaltung sieht er hingegen weniger kritisch: "Bei hoher Nachfrage zahlt man mehr – wer früh bucht oder zu Randzeiten fliegt, kann ein Schnäppchen machen." Eine wichtige Gefahr hingegen, wenn Fluggesellschaften Algorithmen oder KI-Modelle verwendeten – insbesondere, wenn sie die gleichen Modelle oder KI-Lösungen von einem Drittanbieter nutzen – liege darin, dass dies Preisabsprachen begünstigen könnten, was aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive eine neue und wachsende Herausforderung darstellt."

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