Sponsor kündigte Vertrag

Influencerin setzte Kaninchen der Kinder im Wald aus

Millionen folgen @aliciasmumlife auf TikTok und Instagram. Dass sie ihre Follower über das Schicksal ihrer Kaninchen belog, hat nun Konsequenzen.
Nick Wolfinger
11.12.2025, 13:31
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Über 1,5 Millionen Menschen folgen Alicia Vosgrau, besser bekannt als @aliciasmumlife, auf TikTok. Auch auf Instagram sind es fast eine halbe Million. Dass mit so großer Reichweite auch ein besonderes Maß an Verantwortung einhergeht, wurde der Norddeutschen aus Schleswig-Holstein nun zum Verhängnis.

Denn aufgrund von Überforderung, wie sie mittlerweile eingestand, setzte sie die vier Kaninchen (Sterni, Teddy, Toffie und Bounty) ihrer drei Kinder (5, 3, 1) im vergangenen Sommer einfach im Wald aus – und belog ihre Follower, als diese sich über deren plötzliches Verschwinden wunderten.

"zum Glück jemanden gefunden, der alle nehmen konnte"

In einem Video von September erklärte sie beiläufig, dass es mit den Kaninchen "einfach nicht mehr ging". Sie und ihr Mann hätten "lange überlegt, was wir machen". Und dann die eiskalte Lüge, dass sie "zum Gück jemanden gefunden" hätten, "der alle nehmen konnte". Offenbar war ihr zu diesem Zeitpunkt schon bewusst, welches Verhalten das Richtige gewesen wäre. Denn zur Wahrheit hatte sie keinen Mut.

Wahrheit kam ans Licht

Diese kam dann aber auf andere Wege ans Tageslicht. Im August fanden Spaziergänger in einem Wald bei Norderstedt, dem Wohnort der Influencerin, vier Kaninchen und brachten sie ins Tierheim Henstedt-Ulzburg. Eines der Tiere war bereits tot. Es starb an einem Herzinfarkt, wie die Tierärzte herausfanden – vermutlich nach einer Hetzjagd durch einen Hund, so die Tierschützer.

Denn anders, als manche vielleicht glauben, sind Kaninchen durch jahrhundertelange Zucht nicht mehr zu einem selbstständigen Überleben in freier Wildbahn fähig. Die dafür notwendigen Instinkte wurden ihnen zugunsten der Zutraulichkeit gegenüber Menschen gezielt abgezüchtet.

Fahndungsaufruf führte zum Erfolg

Das Tierheim startete sofort einen "Fahndungsaufruf" nach den Haltern der Kaninchen. Seither vergingen über drei Monate. Letzte Woche dann die überraschende Wendung: Nachdem ein weiterer Influencer, Kevin Yanik, das Video mit der beiläufigen Erklärung über das Schicksal der Kaninchen der "Momfluencerin" auf seinem eigenen TikTok-Kanal erneut an die Öffentlichkeit gespielt hatte, fügten sich die Teile des Puzzles zusammen.

Die vier Kaninchen wurden Alicia Vosgrau zugeordnet – das Tierheim aktualisierte sein Posting und teilte mit: "Wir konnten die Halter ermitteln und haben eine Strafanzeige bei der Polizei gestellt." Nach dem Tierschutzgesetz drohen ihr bis zu drei Jahre Haft wegen Tierquälerei. Wahrscheinlicher ist bei einer unbescholtenen Bürgerin freilich eine reine Geldstrafe. Eine Mindeststrafe sieht das Gesetz nicht vor.

Wütende Kommentare auf allen Kanälen

Dem Tierheim sind indes durch die kurzsichtige und rücksichtslose Aktion der Influencerin "Kosten in vierstelliger Höhe" entstanden, berichteten die "Kieler Nachrichten". Es fordert Vosgrau nun auf, die Kosten zu übernehmen.

"Influencer haben Reichweite und eine Vorbildfunktion", stellt die Leiterin des Tierheims, Katja Vogel, im Gespräch mit den "Kieler Nachrichten" klar. Die Familie habe in Kauf genommen, dass die Kaninchen sterben. "Es gibt immer Menschen in Extremsituationen", gibt Vogel zu. Aber die Haustiere im Wald auszusetzen, sei die schlechteste aller Möglichkeiten.

Auf ihren Social-Media-Auftritten hagelt es seither unzählige empörte Kommentare unter alle ihre Beiträge. "Tierquälern sollte man keine Plattform geben!", heißt es da etwa. Oder: "Das ist mit nichts auf der Welt zu entschuldigen". Manche Kommentare gehen auch tief in die Magengrube: "Falls du aus Überforderung auf den Gedanken kommen solltest, dein Baby im Wald auszusetzen. Es gibt Babyklappen", schreibt eine Userin unter eines ihrer letzten Videos auf TikTok. Dort hat Vosgrau bereits seit Oktober keinen neuen Content gepostet. Auf Instagram und Facebook ist sie jedoch weiterhin aktiv.

Sponsor sprang ab

Ihr Fehlverhalten bekommt Vosgrau nun auch finanziell zu spüren. Die Windelmarke "Pampers" beendete laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung ihre Zusammenarbeit mit der Momfluencerin. Ihr Verhalten passe offenbar nicht zum Image, das die Marke vermitteln will. Ihr eigenes Image ist jedenfalls stark angekratzt. Andere Influencerinnen wie Laura Maria Rypa oder Chethrin Schulze kritisierten öffentlich, dass eine Person mit so großer Reichweite ein derart schlechtes Beispiel im Umgang mit Tieren gesetzt habe.

Petition fordert Tierhalteverbot

Aber auch an anderer Front bekommt die Momfluencerin nun Gegenwind zu spüren. Tierschützer starteten eine Petition, um die Stadt Norderstedt zur Verhängung eines Tierhalteverbots für Alicia Vosgrau zu drängen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels haben diese rund 18.000 Menschen unterschrieben.

"Derzeit hält die Familie noch zwei Hunde. Angesichts ihres Umgangs mit ihren vorherigen Haustieren müssen wir davon ausgehen, dass auch die Hunde nicht in einer angemessenen Umgebung untergebracht sind. Ein erneutes Tierdrama muss unbedingt verhindert werden", heißt es im Erklärungstext der Unterschriftensammlung.

"Dachten, im Wald geht es ihnen gut"

Nachdem alles aufflog wandte sich Vosgrau mit einem langen Posting in einer Instagram-Story, die mittlerweile nicht mehr sichtbar ist, an ihre Follower. Darin erklärt sie, dass sie ursprünglich sechs (!) Kaninchen gehalten hatten, davon aber im Laufe der Zeit trotz angeblich bester Fürsorge zwei tot aufgefunden wurden – was für die Familie "ein richtiger Schock" gewesen sei.

Asuzug aus der Stellungnahme von @aliciasmumlife auf Instagram zum Aussetzen ihrer Kaninchen
Instagram/aliciasmumlife (Screenshot)

"Wir waren nervlich am Ende (...) und trafen eine Entscheidung, die ich bis heute zutiefst bereue und die durch nichts zu entschuldigen ist". Sie hätten gedacht, dass es den Tieren im Wald "gut gehen" würde. Als sie davon erfuhren, dass Spaziergänger nur drei ihrer Kaninchen lebend gefunden und ins Tierheim gebracht haben, habe es ihnen "das Herz gebrochen, dass Bounty es nicht geschafft hat".

"Leider können wir es nicht mehr rückgängig machen"

"Rückblickend kann ich mir dieses Verhalten nicht mehr erklären. Es war eine extreme Ausnahmesituation", bittet die dreifache Mutter, deren jüngstes Kind erst wenige Monate alt ist, ihre Follower um Verständnis. Ob sie ihr je verzeihen können, wird sich zeigen. Ob es mit einer einfachen Entschuldigung getan ist, kann aber bezweifelt werden.

Und wie geht es den Kaninchen? In einem Update teilt das Tierheim Henstedt-Ulzburg mit: "Die drei Überlebenden wurden von uns umfassend versorgt und zwei konnten wir bereits in neue, artgerechte Zuhause vermitteln."

{title && {title} } NW, {title && {title} } Akt. 11.12.2025, 13:54, 11.12.2025, 13:31
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