Schusswechsel, Kampfjets, Raketen, Tote und Verletzte: Der Konflikt zwischen Kambodscha und Thailand eskaliert gerade. Felix Heiduk forscht für die Deutsche Stiftung Wissenschaft und Politik zu Südostasien und Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Im Interview mit 20 Minuten erklärt er, was gerade passiert und was noch droht.
Herr Heiduk, wieso kämpfen die zwei Länder?
Felix Heiduk: "Der Grenzverlauf ist seit mehr als 100 Jahren umstritten und reicht bis in die französische Kolonialzeit zurück. Damals wurden Grenzen, ähnlich wie im Nahen Osten, von den Kolonialherren gezogen. Die Grenzkonflikte schwelen bis heute, weil es weder auf internationaler noch auf bilateraler Ebene Schlichtungsvorschläge gegeben hat, die beide Seiten dauerhaft anerkannten."
Wieso eskaliert es gerade jetzt?
"Der Grenzkonflikt wird vor allem in Thailand wiederholt innenpolitisch instrumentalisiert – vor allem vom mächtigen Militär, das immer wieder direkt in die Politik interveniert. Diesmal warfen die Militärs der zivilen Regierung in Bangkok vor, die Souveränität Thailands nicht ausreichend zu verteidigen, schwach und nicht patriotisch genug zu sein. Die amtierende Premierministerin wurde von der militärnahen Justiz deshalb vorläufig von ihrem Amt suspendiert."
Droht jetzt ein Krieg in der Region?
"Es lässt sich sicher von einer Eskalation sprechen. Zwar schwelt der Konflikt seit vielen Jahren. Zuletzt gab es zwischen 2008 und 2011 Kämpfe mit Toten. Aber der heute zu beobachtende Einsatz schwerer Waffen wie Raketenwerfer und Kampfflugzeuge, die zivilen Todesopfer und die überaus scharfe Rhetorik auf beiden Seiten stellt in Relation zu den letzten zehn Jahren eine erneute Eskalation dar. Ob das schon als Kriegsausbruch bezeichnet werden kann, lässt sich derzeit nicht beantworten."
Welche militärischen Kapazitäten haben die zwei Länder?
"Thailand ist Kambodscha militärisch zumindest auf dem Papier überlegen. Als Alliierter der USA verfügt es über eine im regionalen Vergleich gut ausgestattete Armee. Im Kontext der Verschlechterung der Beziehungen mit Washington hat die Armee in den letzten Jahren außerdem moderne Rüstungsgüter von China gekauft. Die militärische Überlegenheit allein sagt jedoch per se nichts über einen Kriegsverlauf oder dessen Ergebnis aus. Faktoren wie Terrain, Wetter und Moral spielen auch eine Rolle. Zudem pflegt Kambodscha seit Jahren eine enge Partnerschaft mit China."
Ist mein Thailand-Urlaub jetzt in Gefahr?
Ministerium warnt Reisende
Auch das österreichische Außenministerium mahnt bei Reisen in die Region zu großer Vorsicht. "Aufgrund von Auseinandersetzungen im Grenzgebiet zwischen Thailand und Kambodscha wurden die Grenzübergänge auf dem Landweg vorübergehend geschlossen. Seien Sie in diesen Gebieten besonders vorsichtig und informieren Sie sich über lokale Medien!", heißt es in einem aktuellen Hinweis des BMEIA.
"In dem Grenzgebiet gibt es wenig Tourismus – sowohl auf kambodschanischer wie thailändischer Seite. Von Reisen in das Gebiet wird aber in jedem Fall abgeraten – und dies bereits seit Wochen."