Schon bald könnte ein sprichwörtliches Naturjuwel Österreichs, der Kampwald im niederösterreichischen Waldviertel, zum Nationalpark erklärt werden. Es wäre der siebente Nationalpark Österreichs und der dritte in Niederösterreich, dem flächenmäßig größten Bundesland der Republik.
Der amtierende Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) besuchte in Begleitung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Norbert Totschnig (ÖVP) die Region, die wegen ihrer urtümlichen Wälder, ihrer Seen und ihrer einzigartigen Landschaft vielen schon heute als Rückzugsort gilt.
Gemeinsam mit Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf und Landesrat Ludwig Schleritzko, beide ÖVP, ging es auf eine Besichtigungstour, bei der die künftige Umsetzung konkretisiert wurde: Ein Startbudget von rund sieben Millionen Euro aus dem Biodiversitätsfonds des Bundes bildet den Auftakt des Projektes, das dem Schutz der Natur verschrieben ist – und wie könnte es anders sein, auch zur Stärkung der Region durch nachhaltige Tourismusangebote beitragen soll.
Im Zentrum dieses Vorhabens steht eine erdachte Schutzzone im Dobratal, einem rund 260 Hektar großen Gebiet mit urigen Wäldern, weitreichenden Wiesen und unzähligen Bachläufen. Standortfremde Gehölze sollen verbannt werden. Gleichzeitig soll die natürliche Waldentwicklung gefördert, mehr Alt- und Totholz im Wald belassen werden.
Für Minister Totschnig ist klar: "Der Kampwald ist ein Naturjuwel und soll der siebente Nationalpark Österreichs werden." Er will aber die dortige Natur nicht nur schützen, sondern auch erlebbar machen. Noch seien nicht alle Fragen dazu endgültig geklärt, aber das Potenzial dazu sei vorhanden.
Das sieht auch LHStv. Pernkopf so und spricht von "einem Leuchtturmprojekt für Naturschutz und die Region gleichermaßen". Während bereits an der Kartierung, Managementplänen und den Details für einzelne Schutzmaßnahmen, gearbeitet wird, stehen Gespräche mit der internationalen Weltnaturschutzunion IUCN noch auf der Agenda. Auch mit dem Bund wird noch verhandelt werden.
Vorausschauend die Aussagen von Finanzminister Marterbauer: Trotz des derzeit knappen Budgets, sagt der Politiker, dürfe man jetzt beim Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen nicht nachlassen, denn Naturschutz hat einen langfristigen Nutzen. So gesehen sei der künftig siebente Nationalpark "auch eine wirtschaftliche Maßnahme mit Weitblick", so Marterbauer. Nicht zu vergessen: "Wenn wir die EU-Klimaziele verfehlen, zu denen wir uns selbst verpflichtet haben, müssen wir teure Emissionszertifikate kaufen."
Die Initiative für das Dobratal ist dabei nur Teil eines größeren Projekts. Ähnlich wie der Nationalpark Thayatal, soll eine intakte Umwelt zu einem wirtschaftlich-touristischen Impulsgeber gemacht werden.
Insgesamt erstreckt sich die angestrebte Fläche über 3.000 Hektar. Und es gibt auch einen historischen Bezug zu Gemeinnützigkeit, denn ein Großteil der Fläche gehört der Windhag-Stipendienstiftung. Diese wurde 1670 vom kaiserlichen Hofkanzler Joachim Enzmilner, Graf von Windhag, testamentarisch errichtet und sollte begabte, aber mittellose Studenten fördern.
Ursprünglich betraf das auch Personen aus Enzmilners Verwandtschaft, Dienerschaft und niederösterreichische Untertanenfamilien. 1772 bestätigte Maria Theresia die Stiftung; ab 1783 wurden von der Stiftung aber nur noch wirtschaftsnahe Studienrichtungen gefördert. Heute wird sie vom Land Niederösterreich verwaltet und vergibt Stipendien an Studierende mit Hauptwohnsitz in Niederösterreich, wobei Ausnahmen für Angehörige des Stifters und Kinder von Landesbediensteten bestehen.
Kritik an der Stiftung kam im Zuge von Restitutionsmaßnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg auf, als die Stiftung nach 1955 als einzige Institution der Region nicht nur mit Rückstellungen bedacht wurde, sondern durch die Entschädigungen von ursprünglich ca. 1100 ha auf rund 3100 ha anwuchs. Die NS-Diktatur unter Adolf Hitler hatte zuvor mit gezielten Enteignungen Ländereien für den Truppenübungsplatz Allentsteig in Besitz genommen. 6800 Menschen aus 42 Ortschaften wurden abgesiedelt.
Gegenwärtig wird jedoch kaum noch über das historisch belastete Erbe gesprochen. Seitens des Landes rechnet man künftig mit über 20.000 zusätzlichen Gästen jährlich. Denn schon jetzt zieht die Region mit ihren Freizeitmöglichkeiten rund um die Kampseen, mit der Ruine Dobra oder dem Schloss Ottenstein viele Besucher an.
Landesrat Schleritzko zeigt sich überzeugt von der Zusammenarbeit zwischen Land und Bund: "Wir wollen die Schöpfung erhalten und die Wertschöpfung erhöhen", lautet sein Credo. Der geplante Nationalpark Kampwald soll nicht nur gefährdeten Arten Lebensraum bieten, sondern auch der Naherholung dienen. Nicht zu kurz kommen werde auch die bäuerliche Direktvermarktung und der sanfte Tourismus in der Region.