Von der ÖGK

Kassen-Ärztin alarmiert – "Bekomme pro Patient 10 Euro"

Die Kassen-Medizin ist in der Krise. Mit ein Grund sind die niedrigen abgegoltenen Leistungen durch die ÖGK.
Wien Heute
16.07.2025, 05:30
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300 Patienten behandle ein gewöhnlicher Kassenarzt locker pro Woche, erklärte der Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss, vor kurzem im Rahmen einer Pressekonferenz, wie die "Presse" berichtete. Bei einer 5-Tage-Woche würde das also für einen Mediziner 60 Patienten täglich bedeuten.

"Es ist ein Kampf gegen die Zeit", erklärt auch die Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer, Naghme Kamaleyan-Schmied (47) im "Heute"-Gespräch. Die Allgemeinmedizinerin führt gemeinsam mit einer Kollegin eine Praxis in Floridsdorf. "Ich hatte zuletzt ein Gespräch mit einer Krebs-Patientin, das etwa 45 Minuten gedauert hat. Die Zeit, die ich dort investiere, muss ich dann bei den nächsten Patienten wieder einsparen", so Kamaleyan-Schmied.

Pro Patient fünf Minuten Zeit

Etwa vier bis fünf Minuten Zeit blieben pro Patientengespräch, meint die Ärztin. "Ich kann keine Stundengespräche führen, wie etwa ein Wahlarzt. Trotzdem versuche ich mir, die Zeit zu nehmen, weil ich weiß, dass die Ordination mit meiner Kollegin weiter läuft", meint Kamaleyan-Schmied.

Zum Zeitdruck kommt auch noch eine niedrige Abgeltung der Leistungen durch die ÖGK: "Das Problem ist, dass viele Leistungen gedeckelt sind. Diagnotisch-therapeutische Aussprachen etwa, die im Allgemeinen 10 bis 15 Minuten dauern, sind in maximal 25 Prozent der Fälle pro Quartal verrechenbar – also nur jede vierte", rechnet die Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer vor.

Drei Euro für Klammer-Entfernung

Pro Quartal werde von der ÖGK etwa 70 bis 80 Euro für einen Patienten verrechnet: "Das sind für jede Konsultation etwa 9 bis 10 Euro", erklärt die Medizinerin und führt gleich noch ein Beispiel an: "Wenn ich nach einer Bypass-OP bei einem Patienten 30 Klammern entfernen muss, dann bekomme ich dafür knapp 3 Euro – das ist eine defizitäre Leistung."

Der (öffentlich einsehbare) Leistungskatalog der ÖGK zeigt genau, wie viel bzw. wenig Kassen-Ärzte für einzelne Arbeiten bekommen. Demnach erhalten Allgemeine Vertragsfachärzte für eine Injektion 3 bis 6 Euro und für eine Infusion rund 7,4 Euro. Bei einer Gelenkspunktion zahlt die ÖGK knapp 14,7 Euro, für einen Verbandwechsel 6,6 Euro. Eine Blutabnahme bei einem Erwachsenen wird wiederum mit 5,2 Euro, das Anlegen eines Schienenverbandes mit fertigen Schienen mit 11 Euro und eine Harn-Untersuchung per Bakterioskop mit 4,4 Euro entlohnt.

„Was wir brauchen, ist ein starkes Netz im niedergelassenen Bereich – und zwar jetzt“
Naghme Kamaleyan-SchmiedVize-Präsidentin der Wiener Ärztekammer

"Was wir brauchen, ist ein starkes Netz im niedergelassenen Bereich – und zwar jetzt. Das bedeutet: faire Tarife, zeitgemäße Rahmenbedingungen und echte Perspektiven für junge Ärzte und Ärztinnen. Leistungen für zeitintensive Gespräche und psychosoziale Betreuung machen es möglich, Patientinnen und Patienten frühzeitig, umfassend und wohnortnah zu begleiten. Das stärkt die medizinische Betreuung und macht den Beruf attraktiver", fordert Kamaleyan-Schmied.

Für die Allgemeinmedizinerin ist klar: "Unser Kassen-System hat viele strukturelle Lücken – und Wahlärzte springen oft dort ein. Sie sind versorgungsrelevant, ermöglichen eine raschere Betreuung und entlasten den Kassenbereich. Gerade in Zeiten zunehmender Engpässe ergänzen sie die Kassen-Medizin sinnvoll. Bedarf gäbe es in Bereichen wie Onkologie, Strahlentherapie oder Long Covid, die im Kassen-System nicht abgebildet sind."

Glaube an solidarisches Gesundheitssystem

Dennoch möchte Kamaleyan-Schmied keine Wahlärztin sein: "Ich bin gerne Ärztin und ich glaube an ein solidarisches Gesundheitssystem. Ich möchte einen Patienten nicht besser behandeln, nur weil er Geld hat."

{title && {title} } red, {title && {title} } 16.07.2025, 05:30
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