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KI-Freundinnen wie Replika als Gefahr für junge Männer

Mittels KI ist es heute möglich, Figuren zu erschaffen, die einem Gesellschaft leisten und Wünsche erfüllen. Doch der Trend ist nicht unproblematisch.

20 Minuten
Wer Apps wie Replika oder Chai verwendet, hat virtuelle Freunde und Freundinnen immer mit dabei.
Wer Apps wie Replika oder Chai verwendet, hat virtuelle Freunde und Freundinnen immer mit dabei.
Replika

Einsam? KI-Freundinnen und -Freunde schaffen Abhilfe. Das behaupten zumindest diverse App-Anbieter und Webseiten, mit denen man sich mit wenigen Klicks einen virtuellen Begleiter erstellen kann. Schon millionenfach wurden Anwendungen wie Replika, iGirl oder Chai, die insbesondere bei jungen Männern beliebt sind, runtergeladen. Ganz kostenlos ist der Spaß nicht: Meist enthalten die Anwendungen App-in-Käufe, mit denen man Premium-Abos freischalten kann.

Auch auf TikTok zirkulieren zahlreiche Videos dazu – die die künstlichen Begleiter abfeiern, aber auch davor warnen. So erzählt dieser User, wie die Konversation mit seiner KI-Freundin plötzlich ohne sein Zutun pikant wurde.

Daniel Süss, Medienpsychologe an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und Kommunikationswissenschaftler an der Universität Zürich, erläutert die Chancen und Risiken, die mit solchen Anwendungen verbunden sind.

Was sind die Problematiken solcher Programme?

Zwischenmenschliche Beziehungen bedeuten, dass man sich mit unterschiedlichen Bedürfnissen auseinandersetzt und so auch Konflikte aushalten lernt. Bei künstlichen Figuren, die pflegeleicht und möglichst auf das Gegenüber zugeschnitten sind, lernt man das nicht. Es kann also ein unrealistisches Bild von Beziehungen entstehen.

Inwiefern genau?

Dass die Partnerin ganz auf mich angepasst ist. KI-Freundinnen sind Objekte und verfügbar, während Menschen Subjekte und ein Gegenüber darstellen.

Wie sehen Sie die Risiken im Zusammenhang mit Pornografie?

Grundsätzlich ist die pornografische Verwendung von AI-Bots eine Fortsetzung von dem, was bereits in digitalen Welten kursiert. Solange sie nur als Unterhaltung dienen und die User dennoch eine erfüllte Sexualität pflegen, sehe ich kein Problem. Problematisch wird es, wenn dies nicht der Fall ist. So können bereits bestehende Stereotype weiter verstärkt werden.

Was meinen Sie damit?

Da die Figuren virtuell sind, kann ein enthemmender Effekt entstehen. Man empfindet weniger Zurückhaltung in Bezug auf sexuelle Wünsche. Schlimmstenfalls kann der Eindruck entstehen, dass man auch mit einem Menschen machen kann, was man will – genau wie mit der virtuellen Figur.

Caryn Marjorie (23) hat Tausende von "Boyfriends"
Auch die US-amerikanische Snapchat-Influencerin Caryn Marjorie (23) mischt im KI-Business mit. Mittels ChatGPT und Forever Voices hat sie eine virtuelle Version von sich selbst erschaffen, mit der man für einen Dollar pro Minute chatten kann. Bereits Tausende Männer nutzen dieses Angebot. Marjorie will damit fünf Millionen Dollar pro Monat verdienen.

Wir haben jetzt viel Negatives erfahren. Sollte man solche Apps also verbieten?

Nein, das wäre nicht sinnvoll. Vielmehr geht es darum, dass die Produzenten dieser Applikationen in die Verantwortung genommen werden. Es braucht Rahmenbedingungen darüber, was zulässig ist und was nicht, Jugendschutz muss funktionieren und die Nutzer müssen kompetent genug sein.

Gibt es auch Chancen?

Für Menschen, die schüchtern sind, können solche Tools ein Übungsfeld für Beziehungen und Interaktionen darstellen. Dies kann sie ermutigen, respektvoll auf Menschen zuzugehen. Dabei dürfen die virtuellen Figuren aber nicht sexistisch und simpel sein, sondern möglichst vielschichtig und auf Augenhöhe mit dem User.

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    In immer mehr Lebensbereichen können künstliche Intelligenzen wie ChatGPT oder Bard unterstützen.
    In immer mehr Lebensbereichen können künstliche Intelligenzen wie ChatGPT oder Bard unterstützen.
    Getty Images/iStockphoto
    Wie sehen Sie unsere Zukunft mit solchen Tools?

    Die Kommunikation mit Chatbots und virtuellen Figuren wird in ganz vielen Bereichen zunehmen: im alltäglichen Kontakt, beim Einkaufen, in der Behördenkommunikation, beim Lernen oder sogar im psychologischen Coaching. Aber man muss lernen, damit umzugehen, und unterscheiden können, was auf zwischenmenschliche Interaktion übertragbar ist und was nicht. Was das mit uns als Gesellschaft macht, wird weiter beobachtet werden müssen.