Antike Kreislaufwirtschaft

Klimakrise – Was wir von den alten Römern lernen können

Nachhaltigkeit spielt in der Baubranche eine immer größere Rolle. Von der Bauweise der alten Römer können heutige Architekten jede Menge lernen.
Bernd Watzka
05.04.2025, 07:15

Der Bausektor ist für ein Drittel der weltweiten Emissionen verantwortlich, daher wächst das Interesse an der Wiederverwendung alter Materialien anstelle von Abriss und Neubau. Vorbild ist die sogenannte "Spolien"-Architektur im antiken und mittelalterlichen Rom – ein frühes Beispiel von nachhaltigem Bauen.

Aus jahrhundertelanger Verachtung wird Bewunderung

Bauwerke wie die Basilika San Giorgio in Velabro, die von Historikern lange Zeit wegen ihres Stil-Mix verachtet wurden, gelten heute als Beispiele für Kreislaufdesign. Diese klimafitte Bauweise dient nun als Vorbild für künftiges emissionsarmes Baustoff-Recycling.

Recycling-Basilika San Giorgio in Velabro: Kirchenschiff mit ungleichen Säulen – einige sind glatt, andere geriffelt, einige aus Granit, andere aus Marmor. Die Linien an der Decke sind nicht parallel.
CC by 4.0

Antike Materialien wiederverwendet

Renaissance-Architekten verwendeten antike Materialien und manchmal ganze Gebäude wieder – darunter Teile der kolossalen Diokletiansthermen, die Michelangelo zu einer christlichen Basilika umgestaltete.

Dabei achteten die Baumeister darauf, das wiederverwendete Baumaterial neu und makellos      erscheinen zu lassen. Touristen von heute, denen Denkmalschutz am Herzen liegt, könnten in den mittelalterlichen Plünderungen antiker Materialien freilich ein architektonisches Sakrileg sehen.

Alte Kirchen als Modell für nachhaltige Wirtschaft

Heute ist unser Planet mit einer Klimakrise konfrontiert, die alle Auswirkungen des Zusammenbruchs des antiken Roms in den Schatten stellen könnte. Daher werden die "Spolien"-Kirchen neu betrachtet – als Modell für die Art von Recycling, die für eine nachhaltige Weltwirtschaft und einen nachhaltigen Bausektor von entscheidender Bedeutung ist.

Das Marcellustheater wurde nach dem Niedergang des römischen Imperiums als Steinbruch verwendet. Im Mittelalter wurden die noch erhaltenen Teile als Wohnraum genutzt. Auf die ersten beiden Arkadenreihen baute man Wohnhäuser.
CC BY 2.0

Bewusster Bestandteil des Designs

Einige Historiker argumentieren, dass die visuelle Vielfalt von Kirchen wie San Giorgio nicht nur eine pragmatische Reaktion auf den Mangel an neuen Baumaterialien war, sondern bewusster Bestandteil des Designs. Die Kirchen verkörperten eine neue, überzeugende Ästhetik.

Deshalb sind sie heute inspirierend, da Architekten nicht nur mit radikal neuen Wegen experimentieren, etwas Altes zu schaffen – Gebäude recyceln –, sondern versuchen, recycelte Strukturen genauso ansprechend zu gestalten wie neu gebaute, hochwertige Designs.

Die Produktion von Zement und Stahl erzeugt bis zu 17 Prozent der weltweiten Emissionen, während Abbruchabfälle 40 Prozent des Deponie-Volumens in den USA ausmachen. Das architektonische Recycling, das die alten Römer praktizierten, kann den gebundenen Kohlenstoffgehalt neuer Gebäude deutlich reduzieren. Das Thema Wiederverwendung ist für die Erreichung der Ziele der Kreislaufwirtschaft und der langfristigen Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung von entscheidender Bedeutung.

Abriss heutzutage sogar ein Publikums-Event

Abriss ist heute eine gängige Praxis in Volkswirtschaften, in denen Materialien billig und Arbeitskräfte teuer sind. Er ist Bestandteil des Bauzyklus – Bauen, Abreißen und Wiederaufbauen – ohne Rücksicht auf Wiederverwertung. Abriss ist sogar eine Art Zuschauersport: Menschen versammeln sich, um die staubige Zerstörung von Hochhäusern, Brücken und alten Stadien zu bejubeln.

Doch dabei handelt es sich um eine moderne "Abweichung" von der Bauvernunft. Die Wiederverwendung alter Materialien ist seit Anbeginn der menschlichen Besiedlung ein grundlegender Bestandteil der Wirtschaftlichkeit von Gebäuden.

"Römer waren gut im Recycling"

"Die Römer waren sehr gut im Recycling", sagt Nick Jeffries von der Ellen MacArthur Foundation, einer britischen Non-Profit-Organisation, die sich der Förderung der "Kreislaufwirtschaft" verschrieben hat. 

Damals habe man Grundgüter und Materialien wiederverwendet, repariert, weitergegeben, aufgewertet und recycelt – anstatt sie zu verbrauchen, wegzuwerfen oder auf die Mülldeponie zu bringen.

{title && {title} } bw, {title && {title} } Akt. 05.04.2025, 12:00, 05.04.2025, 07:15
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