Der Bedarf an Pflegekräften ist groß – doch vielerorts fehlt es an Personal. Lesly Geraldyn Guevara Domingue steht stellvertretend für rund 500 akademisch ausgebildete Pflegefachkräfte, die aus dem Ausland nach Österreich vermittelt wurden. Seit etwa einem Jahr lebt die Kolumbianerin mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Wien – hier haben sie ein neues Zuhause gefunden. "Mein Beruf ist meine Leidenschaft", betont sie.
Lesly arbeitete in Kolumbien in verschiedenen Krankenhäusern, vor allem auf Intensivstationen und in der Onkologie. Dabei hatte sie es überwiegend mit schweren Krankheitsbildern wie Krebs zu tun. Ihr Pflegestudium schloss sie 2016 ab – in Kolumbien dauert dieses sogar ein Jahr länger als in Österreich. Bereits während ihres Studiums kam Lesly mit dem Unternehmen "Talent & Care" in Kontakt. Die Firma wurde 2016 gegründet und hat es sich seit 2019 zur Aufgabe gemacht, akademisch ausgebildete Pflegekräfte aus Südamerika und Asien nach Österreich zu vermitteln.
"Wir wollen den Menschen eine Chance bieten – ohne Risiko", betont Geschäftsführer Frederic Metlewicz. Die Fachkräfte werden dabei umfassend betreut und sorgfältig auf ihre Arbeit vorbereitet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Sprache: Die Pflegekräfte absolvieren intensive Deutschkurse und erreichen innerhalb eines Jahres das B2-Sprachniveau. Darüber hinaus wird für einen gültigen österreichischen Aufenthaltstitel gesorgt. Auch das aufwendige Nostrifizierungsverfahren zur Anerkennung des Berufsabschlusses wird professionell organisiert und begleitet.
Gemeinsam mit ihrem Mann, der ebenfalls im Pflegebereich tätig ist, entschloss sich Lesly, am Programm teilzunehmen. "Ein Grund war auch die Hoffnung auf ein besseres Leben", sagt die 30-Jährige rückblickend. Eine der größten Herausforderungen war das Erlernen der deutschen Sprache. "Teilweise lernten wir sechs bis acht Stunden täglich. Das hat viel Zeit und Energie gekostet", erzählt sie.
Im Jahr 2024 kam Lesly schließlich nach Österreich. Vier Monate später folgten ihr Mann und ihre Tochter. Die Zeit des Wartens und der räumlichen Trennung war für die Familie besonders belastend. Auch der Start in der neuen Heimat war nicht einfach – der Kulturschock war spürbar. Vor allem an den Dialekt musste sich Lesly erst gewöhnen. "Die Österreicher sind außerdem viel distanzierter als Menschen in Kolumbien. Wir umarmen einander zur Begrüßung – das ist hier eher unüblich", erzählt sie. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase stand für die Familie jedoch fest: "Wien ist großartig – besonders, was Sicherheit und das Gesundheitssystem betrifft."
Heute arbeitet Lesly in einem Pflegeheim der Caritas Socialis. "Manchmal brauchen Menschen in schwierigen Momenten mehr Begleitung als medizinische Betreuung. Pflege bedeutet für mich auch Nähe, Kontakt und Zuhören", sagt die engagierte Pflegerin. Gerade diesen Aspekten kann sie sich in ihrem aktuellen Arbeitsumfeld intensiv widmen.
Auch bei ihren Kolleginnen und Kollegen fühlt sie sich wohl: "Wir sind ein richtig gutes Team." Besonders schätzt sie zudem die Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung innerhalb der Einrichtung.
Bisher hat "Talent & Care" knapp über 500 akademisch ausgebildete Pflegekräfte nach Österreich vermittelt – die meisten von ihnen stammen aus Kolumbien, einige auch aus Ecuador. Aktuell befinden sich rund 700 weitere Pflegekräfte in den Deutschkursen des Unternehmens. Etwa 250 von ihnen sollen noch heuer nach Österreich kommen, weitere 400 im kommenden Jahr.
Für die Fachkräfte entstehen weder Kosten für den Flug noch für die Deutschkurse – selbst dann nicht, wenn sie sich aus familiären oder anderen Gründen gegen eine Teilnahme am Programm entscheiden. "Wir arbeiten mit Menschen, und in Menschen muss man investieren. Würden wir Geld zurückverlangen, würden wir sie in einen Schuldenstrudel stürzen – das kommt für uns nicht infrage", erklärt Metlewicz. Die entstehenden Kosten werden stattdessen als Vermittlungsgebühr an die Arbeitgeber weiterverrechnet.