Gesundheit

Diabetes bei Frauen später diagnostiziert als Männern

Eine Übersichtsstudie zeigt geschlechtsspezifische Unterschiede bei Diagnose und  Krankheitsverlauf von Typ-2-Diabetes bei Frauen und Männern auf.

Sabine Primes
Diabetes ist heimtückisch. Befindet er sich noch im frühen Stadium, bemerkt man ihn nicht. Schäden machen sich erst viel später bemerkbar. (Symbolbild).
Diabetes ist heimtückisch. Befindet er sich noch im frühen Stadium, bemerkt man ihn nicht. Schäden machen sich erst viel später bemerkbar. (Symbolbild).
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Die Studie von Alexandra Kautzky-Willer, Michael Leutner und Jürgen Harreiter von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien zeigt, dass weltweit mehr Männer als Frauen von Diabetes mellitus betroffen sind, jedoch wird Typ-2-Diabetes bei Männern oft früher diagnostiziert als bei Frauen. Männer sind in der Regel weniger übergewichtig zum Zeitpunkt der Diagnose und weisen aufgrund ihrer genetischen Veranlagung und hormonellen Situation eine höhere Insulinresistenz und mehr Bauchfett auf. Bei Frauen wird die Diagnose von Typ-2-Diabetes hingegen oft erst im Zuge von Untersuchungen während der Schwangerschaft gestellt. Schwangerschaftsdiabetes gilt zudem als starker Risikofaktor für später auftretenden Typ-2-Diabetes bei Frauen. Dies hat negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf bei Frauen, insbesondere in Bezug auf Herzinfarkt und Schlaganfall. Die Studie wurde im renommierten Fachjournal "Diabetologia" veröffentlicht.

Diabetes mellitus ist eine Erkrankung, bei welcher der Körper nicht genügend Insulin produziert oder nicht in der Lage ist, auf das gebildete Insulin richtig zu reagieren. In der Folge ist der Blutzuckerspiegel (Glukose) ungewöhnlich hoch. Aber Blutzucker wird im Rahmen einer Urinuntersuchung ermittelt. 
Es gibt verschiedene Formen von Diabetes. Die häufigste Form ist Typ-2-Diabetes. Typ-2-Diabetes hat zum Teil genetische Ursachen und entsteht meist als Folge eines ungesunden Lebensstils. Diabetes hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Gesundheit. Ohne entsprechende Behandlung können schwere Komplikationen und Folgeerkrankungen auftreten: Schäden an den Blutgefäßen und den Nerven, Erkrankungen der Augen, der Nieren, des Herzens oder der Füße auftreten. Das Risiko für Folgeerkrankungen ist umso höher, je länger der Blutzuckerspiegel erhöht ist.
Diabetes ist heimtückisch. Befindet er sich noch im frühen Stadium, bemerkt man ihn nicht. Schäden machen sich erst viel später bemerkbar. Daher ist die frühzeitige Therapie essentiell. Entweder genügt die Umstellung des Lebensstils, falls nicht, muss Insulin gespritzt werden. 

"Hormonelle Unregelmäßigkeiten bei Frauen, wie Zyklusstörungen oder polyzystisches Ovarsyndrom (mehrere Zysten in den Eierstöcken, PCOS), sollten stärker beachtet werden, da sie Einfluss auf das Risiko für Typ-2-Diabetes haben können", erklärt Stoffwechselexpertin Alexandra Kautzky-Willer, "auch chronischer Stress und Übergewicht sind Risikofaktoren bei Frauen." Die Experten empfehlen, bereits vor dem Kinderwunsch Prädiabetes, die Vorstufe von Diabetes, auszuschließen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass sich das Risikoprofil von Frauen nach der Menopause aufgrund des Abfalls von Östrogen als hormoneller Schutzfaktor ändert und ihr Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark ansteigt. Eine Hormonersatztherapie kann das Diabetesrisiko bei Frauen in der Menopause deutlich senken.

Frühzeitige Diagnose und Therapie wesentlich

Die Studie hebt auch hervor, dass die derzeitigen Grenzwerte für die Diagnose von Typ-2-Diabetes bei Frauen möglicherweise problematisch sind, da Nüchternblutzucker-Werte und HbA1c-Werte (Langzeitzucker) im frühen Stadium oft noch im Normbereich liegen. "Es ist notwendig, dass geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Diagnose und dem Krankheitsverlauf von Typ-2-Diabetes berücksichtigt werden sollten, um die Gesundheit von Frauen besser zu schützen", fügt Kautzky-Willer hinzu.

Hämoglobin (Hb), auch "roter Blutfarbstoff" genannt, ist ein wichtiger Bestandteil der roten Blutkörperchen. Es bindet Sauerstoff und ermöglicht so den Sauerstoff-Transport von der Lunge zu den Organen.
Als HbA1c bezeichnet man Hämoglobin, an das sich ein Molekül Zucker (Glukose) angelagert hat und gibt Auskunft über die mittelfristige Blutzuckereinstellung. Ein gewünschter Zielwert beträgt beispielsweise 6,5 Prozent.

Die Autoren betonen die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose und einer konsequenten medikamentösen Therapie bei Frauen mit Typ-2-Diabetes, um den Krankheitsverlauf zu verbessern und das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall zu reduzieren.

Psychosoziale Faktoren bei Frauen einbeziehen

Eine große Rolle bei Typ-2-Diabetes spielen bei Frauen auch psychosoziale Faktoren wie ein geringerer Bildungsgrad, Traumatisierung, emotionaler Stress bis Depressionen und ein schlechter sozioökonomischer Status. Dazu kommt im Fall der bereits bestehenden Diabetes-Erkrankung der spezifische Diabetes-Distress, der mit Sorgen, Ängsten und Belastung im Zusammenhang mit der fordernden Krankheit auftritt. Kautzky-Willer: "Das ist bei Frauen ein größeres Thema, nicht zuletzt wegen einer anderen Planung der Schwangerschaft im gebärfähigen Alter".