Gesundheit

Neuer Antikörper schaltet alle Corona-Varianten aus

US-Forscher haben einen Antikörper entdeckt, der alle bekannten Virusvarianten neutralisieren kann. Ein Universalimpfstoff scheint zum Greifen nahe.

Christine Scharfetter
Ein neu identifizierter Antikörper lässt das Coronavirus an die menschliche Zelle zwar andocken, aber nicht eindringen – damit könnte ein neuer Durchbruch in der Impfstoffforschung gelingen.
Ein neu identifizierter Antikörper lässt das Coronavirus an die menschliche Zelle zwar andocken, aber nicht eindringen – damit könnte ein neuer Durchbruch in der Impfstoffforschung gelingen.
Getty Images/iStockphoto

Seit seinem ersten Auftreten vor gut zweieinhalb Jahren im chinesischen Wuhan hat sich das Coronavirus Sars-CoV-2 stark weiterentwickelt. Die ständigen Mutationen haben dazu geführt, dass neue Varianten immer besser unsere Immunabwehr unterlaufen können. Die zurzeit zirkulierende Omikron-Subvariante BA.5 hat vor allem ihre Rezeptor-Bindungsstelle so stark abgewandelt, dass die durch frühere Infektionen oder eine Impfung produzierten Antikörper nicht mehr an ihrem Spike-Protein andocken können. Deshalb sind Geimpfte und Genesene zwar weitgehend vor schweren Verläufen von Covid-19 geschützt, nicht aber vor einer erneuten Infektion.

Wissenschaftler sind deshalb immer auf der Suche nach neuen, breiter wirksamen Antikörpern gegen Sars-CoV-2 und hoffen auf einen Impfstoff, der nicht nur gegen alle bisherigen, sondern auch künftigen Varianten des Coronavirus wirkt. Ein Team um Sai Luo von der Harvard Medical School in Boston wurde diesbezüglich nun fündig und könnte einem Universalvakzin damit einen Schritt näher gekommen sein.

Ein Antikörper gegen alle Varianten

Sie haben einen Antikörper identifiziert, der alle bisher bekannten Varianten von SARS-CoV-2 neutralisieren kann. Entwickelt wurde er mithilfe von Mäusen, die durch eine Genmanipulation menschliche Immunzellen ausbildeten. Das Team veränderte das Mäusegenom dabei so, dass die Tiere besonders viele verschiedene menschliche B-Zellen ausbildeten – die Zellen, die die Antikörper produzieren.

Anschließend wurde den Nagern zweimal im Abstand von vier Wochen das Spike-Protein des Wuhan-Stamms von Sars-CoV-2 oder Nanopartikel mit nur dessen Bindungsstelle injiziert. Dadurch produzierte das humanisierte Immunsystem der Mäuse neun verschiedene Stämme von Antikörpern gegen das Coronavirus.

Um zu ermitteln, wie gut diese Abwehrproteine gegen die verschiedenen Virusvarianten wirken, führten die Forschenden anschließend Neutralisationstests mit jeweils einem monoklonalen Antikörper jeder Linie durch. Dabei erwies sich der Antikörper SP1-77 als besonders wirksam.

Bindung ohne Infektion

"SP1-77 neutralisierte sehr potent alle bisher bekannten Sars-CoV-2-Varianten, darunter auch die kürzlich entstandenen Omikron-Subvarianten BA.1, BA.2, BA.3, BA.4/5 und BA.2.12.1", berichten Luo und seine Kollegen. Der Grund dafür ist, dass SP1-77 nicht an der Rezeptor-Bindungsstelle des Coronavirus andockt, wie die meisten anderen Antikörper. "Die Strukturanalysen bestätigten, dass der Antikörper an der der ACE2-Bindungsstelle gegenüberliegenden Seite bindet", schreibt das Team. Eine Stelle am Spike-Protein, die kaum von den Mutationen des Coronavirus betroffen ist.

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    Hier hat alles begonnen: Am Feinkost-Nassmarkt in Wuhan soll das Coronavirus erstmals auf Menschen übergesprungen sein.
    Hier hat alles begonnen: Am Feinkost-Nassmarkt in Wuhan soll das Coronavirus erstmals auf Menschen übergesprungen sein.
    REUTERS

    Außerdem lasse SP1-77 das Andocken des Virus an den ACE2-Rezeptor auf der Zelloberfläche zwar zu, dafür blockiere er aber die Fusion der äußeren Virusmembran mit der Membran der Zelle – einen für den Zelleintritt des Virus essenziellen Schritt, beschreiben die Wissenschaftler. Das Coronavirus kann dadurch zwar an menschliche Zellen binden, gelangt aber nicht hinein und kann sie somit nicht infizieren.

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