Ein Jahr nach dem aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozess von Avignon trifft die Französin Gisèlle Pelicot in der kommenden Woche in einem Berufungsprozess erneut auf einen ihrer mutmaßlichen Vergewaltiger. Von den 51 Angeklagten im ersten Prozess hat nur einer an der Forderung nach einem Berufungsverfahren festgehalten, das nun am Montag im südfranzösischen Nîmes beginnt. Gisèlle Pelicot will bei dem auf drei Tage angelegten Prozess anwesend sein.
"Sie hätte sich das gerne erspart, aber sie wird da sein, um klarzumachen, dass eine Vergewaltigung eine Vergewaltigung bleibt", sagte Pelicots Anwalt Antoine Camus der Nachrichtenagentur AFP. "Es gibt keine ‚kleine‘ Vergewaltigung." Die heute 72-jährige Gisèlle Pelicot war von ihrem damaligen Ehemann Dominique Pelicot über Jahre hinweg immer wieder mit Medikamenten betäubt und von ihm sowie von Männern vergewaltigt worden, die er in Internetforen kontaktiert hatte.
Dominique Pelicot hatte sich zu Beginn des ersten Prozesses im vergangenen Jahr geständig gezeigt und erklärt, dass er und alle 50 Mitangeklagten Vergewaltiger seien. Viele der Mitangeklagten argumentierten jedoch, sie seien überzeugt gewesen, sich lediglich an einem erotischen Spiel zu beteiligen, bei dem die Frau sich schlafend stelle.
Dies erklärte auch der 44 Jahre alte Husamettin D., der von Montag an vor Gericht erneut seine Unschuld betonen will. "Ich bin kein Vergewaltiger. Er ist doch ihr Ehemann, ich hätte nie gedacht, dass er seiner Frau so etwas hätte antun können", hatte er im ersten Prozess gesagt. Er habe erst nach einer halben Stunde "verstanden, dass es kein Spiel war" – als Gisèlle Pelicot hörbar geschnarcht habe.
Das Gericht in Avignon hatte Husamettin D. in erster Instanz zu neun Jahren Haft verurteilt. Aus gesundheitlichen Gründen musste er seine Haftstrafe bislang nicht antreten. Dominique Pelicot war vom Gericht in Avignon zur Höchststrafe von 20 Jahren Haft verurteilt worden. Er wird in dem Berufungsverfahren als Zeuge auftreten.