Bald "Hecke statt Zaun"

Nach MMA-Fights – Lokalaugenschein im Jugendknast

Gewaltorgien und "Zaungäste" brachten der neuen Justizanstalt Münnichplatz harsche Kritik ein. Nun warf "Heute" einen Blick hinter die Kulissen.
Christian Tomsits
28.05.2025, 05:30
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben

Neben "insgesamt fünf" Schlägereien allein "zwischen Jänner und Mai" in MMA-Manier am Gang, kam es auch zu mehreren Kletter-Vorfällen – wir berichteten exklusiv. Nun gewährte das Justizministerium trotz laufender Umbauarbeiten einen seltenen Blick hinter die ansonsten fest verschlossene Türen der Jugendhaftanstalt Münnichplatz. "Ja, wir sind auf einer Baustelle", gestand die seit 1. April eingesetzte Anstaltsleiterin Seada Killinger vor hervorstehenden Kabeln und frisch verputzten Wänden in Wien-Simmering ein.

Volksanwältin Gaby Schwarz hatte die schrittweise Inbetriebnahme während der Umbauarbeiten als "alles andere als optimal" kritisiert, Killinger und ihr "engagiertes, motiviertes Team" aber auch gelobt. Auf Vorfälle sei schnell reagiert worden: Statt dem zu niedrigen Außenzaun soll nun eine "drei Meter hohe, immergrüne und blickdichte Hecke" gepflanzt werden, erklärte man Journalisten vor Ort. Außerdem wurden Fenster mechanisch verriegelt und jene Häftlinge, die unautorisierte Besucher angelockt hatten, "in Richtung Innenhof verlegt".

Freunde von Häftlingen klettern über den Zaun

In der über die Jahrhunderte heruntergekommenen Ex-Habsburger-Residenz Kaiserebersdorf sitzen aktuell 15 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren wegen Gewalt- und Eigentumsdelikten ein. Ihre spartanischen Zweimann-Zellen (standardmäßig mit Nasszelle und TV-Gerät ausgerüstet) befinden sich in einem frisch-renoviertem Zubau, der bis 1973 noch ein berüchtigtes Zuchthaus für schwer erziehbare Kinder war.

Von den strengen Regeln der Vergangenheit verabschiedete man sich nun jedoch ganz bewusst. "Wir wollen weg vom Bestrafen – setzen dagegen auf pädagogische Maßnahmen und unmittelbare Konsequenzen", erklärte man beim Hintergrundgespräch. "Gewalt geht aber nicht", brachte man jeden einzelnen Fall zur Anzeige und reagierte auf "vielen Ebenen". So ließ man den Übeltätern neben Antiaggression-Trainings auch andere Therapien angedeihen.

Das Angebot für engagierte Insassen ist reichhaltig: Neben einer Bäckerei kann man intern auch in einer Maurerei, Malerei, Tischlerei und Schlosserei eine geprüfte Lehre absolvieren. Auch den Schulabschluss könne man künftig vor Ort in zwei Klassen mit vier Pädagogen machen. Für Nichtschulpflichtige werden Auffrischungskurse in Lesen, Rechnen, Schreiben und Deutschkurse angeboten.

Video von Schlägereien sorgten für Kritik

"Guten Tag!" sprangen zwei bärtige Insassen auf, als sie in einem der schulähnlichen Zimmer von Journalisten und der Gefängnisleitung überrascht wurden. Sie studierten mit einer Pädagogin gerade den Roman "Tschick" – in einfacher Sprache. Passend zur Lebensrealität der Leser sei das eine Geschichte über zwei Jugendliche, die mit einem gestohlenen Auto abhauen. "Ich muss noch bis Jänner 2026 hier sein", erklärte einer der Burschen.

Vollbetrieb ab kommendem November

Bis dahin soll die Anstalt dann im Vollbetrieb mit 72 Insassen und 80 Mitarbeiter "neue Standards leben", so der ambitionierte Plan. Im Innenhof würden sechs verschiedene Sportplätze und eine Gärtnerei sinnvolle Beschäftigung bieten, die ein eigener Freizeitkoordinator mit den Insassen abspricht.

Bei Besuch waren Häftlinge handzahm

Eine Expertengruppe des Ministeriums hatte sich einstimmig für diesen Standort als neue Justizanstalt für Straf- und Untersuchungshäftlinge in Ostösterreich entschieden, heißt es. Das Prüfungsverfahren der Volksanwaltschaft zu den Vorfällen läuft noch. Fest steht: Während des Häfn’-Besuchs waren die Häftlinge handzahm.

{title && {title} } ct, {title && {title} } 28.05.2025, 05:30
Jetzt E-Paper lesen