Gesundheit

Diabetes: Neues Medikament senkt Blutzucker und Gewicht 

Tirzepatid bewirkt bei Diabetikern eine stärkere Blutzuckersenkung und Gewichtsabnahme als andere Wirkstoffe. Studien belegen diese Wirkung.

Sabine Primes
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Übergewicht als wesentliche Mitursache für Diabetes.
Übergewicht als wesentliche Mitursache für Diabetes.
Getty Images/iStockphoto

Die Adipositas-Epidemie führt zu immer mehr Patienten mit Typ-2-Diabetes. 8,8 Prozent der Weltbevölkerung oder 425 Millionen Menschen leiden an Zuckerkrankheit. Typ-2-Diabetes macht 90 Prozent der Fälle aus. Übergewicht bzw. Adipositas (Fettsucht) sind wesentliche Mitursachen. An Behandlungskonzepten gibt es seit Jahrzehnten verschiedene Antidiabetika, welche vor allem die Insulinfreisetzung erhöhen, die Resistenz gegenüber dem körpereigenen Insulin reduzieren oder die Zuckerausscheidung über den Harn fördern. Vor allem im späteren Stadium der Erkrankung wird trotzdem oft eine Insulintherapie notwendig, was häufig zu einer weiteren Gewichtszunahme bei ohnehin schon übergewichtigen Patienten führt.

Kombinierte Wirkung von Botenstoffen

Verschiedene blutzuckersenkende Arzneimittel haben oft nur begrenzte Wirksamkeit. Doch hier bahnt sich eine wesentliche Verbesserung an. Tirzepatide vereinen die Wirkung von zwei für die Blutzuckerkontrolle im Körper entscheidenden Botenstoffe: Glucagon-like peptide-1 (GLP-1) und das Glucose-dependent insulinotropic polypeptide (GIP). GLP-1 wird im Darm nach dem Essen ausgeschüttet und veranlasst die Bauchspeicheldrüse zur Freigabe von Insulin. Tirzepatide ist ein Hormon, das die Wirkungen von GLP-1 ergänzen kann. Ein zusätzlicher Effekt besteht in der Förderung der Gewichtsabnahme, auch durch einen höheren Energieverbrauch.

Im direkten Vergleich von Tirzepatide und dem seit längerem eingesetzten Wirkstoff Semaglutide zeigt sich: Tirzepatide trägt viel stärker zum Abnehmen der Patienten bei: Je nach Dosierung von Tirzepatide verringerte sich das Körpergewicht binnen 40 Wochen um 1,9 Kilogramm bis 5,5 Kilogramm mehr als unter der Behandlung mit Semaglutid.

1.444 Typ-2-Diabetiker nehmen teil

Anfang August erschien eine internationale Fachstudie online im Fachblatt "Lancet". Beteiligt waren 122 Kliniken in 13 Staaten. An der Untersuchung nahmen 1.444 Typ-2-Diabetiker mit einem BMI über 25 (durchschnittlich 94,3 Kilogramm) und einem HbA1c-Wert von durchschnittlich 8,17 Prozent teil. In jeder Testgruppe befanden sich rund 360 Probanden, die nicht nicht ausreichend behandelt waren. Die Alternative war der Start einer zusätzlichen Insulintherapie (einmal täglich Injektion bis zum Erreichen eines Nüchternblutzuckers von weniger als 90 Milligramm pro Deziliter Blut) oder einmal pro Woche 5, 10 oder 15 Milligramm Tirzepatide. 

Nach 52 Wochen erwies sich Tirzepatide mit einer Reduktion des HbA1c-Wertes um 1,93 bis 2,37 Prozentpunkte (je nach Dosierung) als wirksamer als das Insulin (minus 1,34 Prozentpunkte). Ein HbA1c-Wert von weniger als sieben Prozent wurde bei 82 bis 93 Prozent der Behandelten erreicht, unter Insulintherapie bei 61 Prozent.

Hämoglobin (Hb), auch "roter Blutfarbstoff" genannt, ist ein wichtiger Bestandteil der roten Blutkörperchen. Es bindet Sauerstoff und ermöglicht so den Sauerstoff-Transport von der Lunge zu den Organen.
Als HbA1c bezeichnet man Hämoglobin, an das sich ein Molekül Zucker (Glukose) angelagert hat und gibt Auskunft über die mittelfristige Blutzuckereinstellung. Ein gewünschter Zielwert beträgt beispielsweise 6,5 Prozent.

Deutliche Gewichtsabnahme

Besonders beachtenswert war die Entwicklung des Körpergewichts in dieser klinischen Studie: Unter der Behandlung mit Tirzepatide nahmen die Patienten je nach verwendeter Dosis zwischen 7,5 und 12,9 Kilogramm ab. Hingegen legten die Patienten in der Vergleichsgruppe mit Insulintherapie um durchschnittlich 2,3 Kilogramm an Körpergewicht zu. Die Zunahme an Körpergewicht ist seit vielen Jahrzehnten ein Problem, das mit der Insulintherapie von Diabetes in Verbindung steht.