Ayatollah Ali Chamenei hat sich fast eine Woche nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken oder hören lassen. Seine Abwesenheit fiel auch im Iran auf, wie die "New York Times" schreibt. Derweil verliert das Oberhaupt wohl an Einfluss.
Während des US-Angriffs und der israelischen Bombardierungen hat sich Chamenei gemäß offiziellen Angaben in einem Bunker verschanzt. Dort soll er keine elektronische Kommunikation zulassen.
Erst am Donnerstag ließ Chamenei in einer ersten öffentlichen Stellungnahme, seitdem die Waffenruhe in Kraft ist, verkünden, der Iran habe über Israel gesiegt. "Die USA hat mit ihren Attacken nichts erreicht", so der Ayatollah weiter.
In einer Videobotschaft sagte er außerdem: "Die Islamische Republik hat gesiegt und als Vergeltung den Amerikanern einen Schlag ins Gesicht versetzt." Auf einem weiteren X-Post führte er aus: "Die Tatsache, dass die Islamische Republik Zugang zu wichtigen US-Zentren in der Region hat und Maßnahmen ergreifen kann, wann immer sie es für notwendig hält, ist von großer Bedeutung."
Ein iranischer politischer Analyst mit Beziehungen zu den Islamischen Revolutionsgarden schätzt ein, dass Chamenei glaubt, die Israelis würden noch immer versuchen, ihn zu ermorden – trotz Waffenruhe.
Dies wirft jedoch Fragen auf: Inwieweit war Chamenei an den jüngsten Entscheidungen beteiligt, angesichts der vielen möglichen Schwierigkeiten oder Verzögerungen, ihn zu erreichen? Regiert er noch das Land?
"Es setzt sich eine pragmatische Sichtweise durch, um das Land aus der Krise zu führen", sagte der Analyst, indem Chamenei andere Führungspersönlichkeiten wie Präsident Masoud Pezeshkian ermächtigte. Trotzdem glaube er, dass Chamenei aus der Ferne an wichtigen Entscheidungen beteiligt war.
Nachdem Chamenei in den ersten Tagen der Kämpfe verschwunden war, übergab er Insidern und Gegnern zufolge die Entscheidungsfindung an einen neuen Rat, die Schura, schreibt der "Economist".
Dieser Rat wird von der Islamischen Revolutionsgarde dominiert. "Das Land befindet sich faktisch unter Kriegsrecht", sagt ein Beobachter. Selbst wenn Chamenei aus seinem Bunker zurückkehrt, dürfte es ihm demnach schwerfallen, seine Autorität wiederherzustellen.
Während die Revolutionsgarde mehr Einfluss gewinnt, hat sich ihre Elite durch Israels Attentate verändert. Die altgedienten Kommandeure, die jahrelang "strategische Geduld" bewiesen, sind verschwunden. Die Eliminierung der Anführer durch Israel während des Krieges hat den Weg für eine neue Generation geebnet.
Diese scheint weniger Geduld vorzuzeigen und will wohl auf lange Sicht den Nationalstolz wiederherstellen. "Die maximalistische Position wurde gestärkt", sagt ein Akademiker, der den iranischen Reformern nahesteht.