Ukraine

ORF-Experte verrät nun, wie es in Ukraine weitergeht

Trauriger Jahrestag: Vor einem Jahr begann der blutige Krieg in der Ukraine. ORF-Korrespondent Wehrschütz zeigt nun auf, wie es weitergehen könnte. 

ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz bei einer Podiumsdiskussion in Salzburg 2021.
ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz bei einer Podiumsdiskussion in Salzburg 2021.
Screenshot ORF

Genau ein Jahr ist nun vergangen, seit Putins Russland in die Ukraine einmarschierte und das Land endgültig in den Ausnahme- und Kriegszustand versetzte. Viel Leid ist seither passiert, Tausende Menschen mussten ihr Leben lassen. Doch die Siegeserwartung der ukrainischen Bevölkerung habe sich laut ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz nicht grundlegend verändert, so der Experte im "Ö1"-Morgenjournal am Jahrestag des folgenreichsten Krieges in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Laut Wehrschütz sei die Entschlossenheit der Menschen in der Ukraine ein Schlüssel für den teilweise so erfolgreichen Widerstand des Landes gegen den russischen Aggressor. Umfragen zufolge rechne nur ein Prozent der Bevölkerung mit einer Niederlage im Krieg. Verändert habe sich jedoch der zeitliche Horizont: Dachten die meisten zu Beginn der Kriegshandlungen, dass der Krieg nur einige Wochen oder Monate dauern würde, so gehen 60 Prozent der Ukrainer nun davon aus, dass eine finale Lösung wohl noch ein halbes Jahr bis Jahr dauern könnte. 

Bevölkerung massiv unter Druck

Mit fortschreitender Dauer des Krieges wird die Ablehnung gegenüber Russland immer ausgeprägter. Als Symbol dafür nimmt die Anzahl jener, die im Lande Russisch sprechen, stetig ab. Wehrschütz geht im Morgenjournal sogar so weit, dass die "russische Bevölkerung unter Anführungszeichen ausstirbt".

Das Leben der ukrainischen Bevölkerung im Kontext des Krieges finde vielerorts unter "menschenunwürdigen Bedingungen" statt – vor allem an der Frontlinie. Städte wie Kiew wiederum würden sich durch eine "versuchte Normalität" auszeichnen. Nichtsdestotrotz sei die Ungewissheit in der kriegsgebeutelten Gesellschaft groß: Die Preise lebensnotwendiger Dinge wie Lebensmittel oder Gas seien außerdem extrem in die Höhe geschossen, während Löhne wegen der Kriegsschäden massiv zurückgefahren wurden. Doch die Bevölkerung finde ihre Überlebensstrategien. 

Entscheidung im nächsten halben Jahr?

Doch wie stehen die Aussichten auf eine Verbesserung, auf ein Ende der Kriegshandlungen in dem Land? Laut Wehrschütz könnte es binnen der nächsten sechs Monate zu einer Entscheidung kommen, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt. Dafür brauche die Ukraine jedoch noch viel mehr Waffen – vor allem, wenn es eine Offensive auf der lang verlorenen Halbinsel Krim starten will. 

Die Erfolge der russischen Offensive hätten sich bisher in Grenzen gehalten. Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang ist vor allem die russische Rüstungsindustrie. Solange ihr nicht die Luft ausgeht könnte es für die Ukraine unter den aktuellen Bedingungen schwierig sein, relevante Geländegewinne zu erzielen. Der Abnützungskrieg werde laut dem Korrespondenten wohl noch sicher sechs Monate dauern, bevor eine mögliche diplomatische Lösung erreicht werden könnte. 

"Derzeit keine Perspektive für Friedensverhandlungen"

Zuletzt gab es vermehrt Versuche, diplomatischen Druck auf die russische Führung auszuüben: Am Donnerstag verabschiedeten beispielsweise 141 Staaten der UNO-Vollversammlung eine Resolution, die Russland zum Rückzug aus dem Nachbarland auffordert. Auch das militärisch eng mit Russland verwobene China legte zuletzt einen Friedensplan vor, der jedoch vonseiten der Ukraine heftig kritisiert wurde.

Dennoch sieht Wehrschütz aktuell keine Perspektive für Verhandlungen. Dies liege vor allem daran, dass beide Seiten meinen würden, dass ihnen die Zeit in die Karten spielt. Weiters könnten die hohen Siegeserwartungen der Ukraine Kompromisslösungen, beispielsweise im Hinblick auf die Krim, erschweren bis verunmöglichen. Das frustrierende Fazit des Experten zum Jahrestag des blutigen Krieges: "Ich glaube nicht, dass derzeit eine Perspektive für Friedensverhandlungen gegeben ist".

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    Kurz vor dem 1. Jahrestag der russischen Invasion ist <a target="_blank" data-li-document-ref="100256083" href="https://www.heute.at/g/us-praesident-joe-biden-ueberraschend-in-kiew-eingetroffen-100256083">US-Präsident Joe Biden überraschend in der ukrainischen Hauptstadt Kiew aufgetaucht</a>.
    DIMITAR DILKOFF / AFP / picturedesk.com