Brisante Analyse

ORF-Star Wehrschütz rechnet mit Putin und Selenskyj ab

In seinem neuen Buch analysiert Christian Wehrschütz 25 Jahre an der Front – und spricht Klartext über Putin, den Westen und Selenskyjs Schwächen.
Christian Tomsits
11.10.2025, 14:04
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Christian Wehrschütz ist so etwas wie die Stimme aus dem Krieg – und das seit Jahrzehnten. In seinem neuen Buch "Frontlinien – 25 Jahre zwischen Krise, Krieg und Hoffnung" zieht die ORF-Legende nun mit tiefem Hintergrundwissen, spannenden Fotos aus seinem Archiv sowie eingestreuten Anekdoten Bilanz einer langen Karriere als Kriegsreporter – und er analysiert den Ukrainekrieg mit klarer Sprache.

Wer es liest, versteht: Hier spricht keiner, der belehrt. Sondern einer, der dabei war. "Die Ukraine kann ohne westliche Unterstützung Russland nicht aufhalten", warnt Wehrschütz. "Doch Russland besitzt nicht genug Truppen, um das ganze Land einzunehmen. Hinter diesem Konflikt stehen weit mehr Interessen, als man auf den ersten Blick erkennen kann."

Einer seiner schärfsten Befunde betrifft Wladimir Putin: "Sein größter Fehler war zu glauben, dass die Ukrainer Russen sind", so Wehrschütz. Zudem unterschätzte Putin den Widerstandswillen der Ukraine und "überschätzte sich selbst."

Auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geht der langjährige Balkan-Korrespondent hart ins Gericht: Der ORF-Mann kritisiert, dass Selenskyj zu Beginn des großen Krieges keine Regierung der nationalen Einheit gebildet habe: "Die Politik wurde zu einer Zweimannshow." Selenskyj hätte Julia Timoschenko oder den Kyjiwer Bürgermeister Wladimir Klitschko mit ins Boot holen können, tat das aber nicht – "ein Kardinalfehler."

„Die Ukraine ist nicht Russland – aber sie ist auch noch kein Rechtsstaat“
Christian WehrschützORF-Legende

Auch an der Rolle des Westens gibt es vom legendären Journalisten viel Kritik. Trotz der versprochenen Unterstützung habe man keine Friedensstrategie und würde Kyjiw viel zu oft mit vagen Hoffnungen alleine lassen.

Christian Wehrschütz (64) wurde in Graz geboren, studierte Jus und wurde beim Bundesheer als Offizier ausgebildet. Seit 1991 arbeitet er beim ORF. Im November 1999 wurde er ORF in Belgrad, mittlerweile betreut er das gesamte ehemalige Jugoslawien und Albanien sowie seit 2025 das Büro in der Ukraine. Wehrschütz spricht acht Sprachen (Englisch, Russisch, Ukrainisch, Serbisch, Französisch, Slowenisch, zusätzlich versteht er Mazedonisch, und beherrscht Grundkenntnisse in Albanisch. Wehrschütz ist verheiratet, hat zwei Töchter und eine kleine Enkelin, die er über alles liebt.

Wehrschütz räumt auch mit Mythen rund um die Maidan-Revolution (2014) auf: Die Zahl der Toten Demonstranten, die von den Ukrainern als "Himmlische Hundert" verherrlicht werden, stimme laut eigener Recherche nicht. Aber "sie lassen sich halt besser verkaufen als himmlische 89", so Wehrschütz trocken. Sein Abschluss-Befund: "Die Ukraine ist nicht Russland – aber sie ist auch noch kein Rechtsstaat."

Der ORF-Mann gibt aber nicht nur politische Einblicke – sondern auch persönliche: So erfährt man, wie Wehrschütz 2001 im Jugoslawienkrieg in Tretano seinen ersten "zweiten Geburtstag" feierte. In einer Grenzhütte wurde er beinahe von einer albanischen Granate getroffen, wurde nur dank der schnellen Reaktion eines Soldaten gerettet.

Besonders berührt habe ihn, als ihm eine ukrainische Pensionistin erzählte, dass ihr neuer Kühlschrank – auf den sie jahrelang gespart hatte – von Granatsplittern zerstört wurde. Seine rührende Reaktion: "Als ich das gehört habe, habe ich gemeinsam mit einem anderen Österreicher zusammengelegt, […]damit sie sich einen neuen Kühlschrank kaufen kann."

{title && {title} } ct, {title && {title} } 11.10.2025, 14:04
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