Zwischen Spiegeln, Föhn und vertrauten Gesichtern herrscht noch Alltag – Haare werden geschnitten, gefärbt, geföhnt. Doch wer genau hinsieht, merkt schnell: Hier geht eine Ära zu Ende. Denn Ende August sperrt Gabriele W. (45) ihren Friseursalon auf der Wiedner Hauptstraße endgültig zu.
Die heute 45-Jährige begann hier 1995 als Lehrling, übernahm den Salon vor rund 20 Jahren – und machte ihn zu ihrem Lebenswerk. "Das Geschäft ist wie mein Baby", sagt sie im Gespräch mit "Heute". "Ich habe hier alles gelernt, bin mit meinen Kunden groß geworden. Aber jetzt geht es nicht mehr. Entweder jetzt oder nie."
Das größte Ärgernis ist für sie der tägliche Weg zur Arbeit. Früher war die Fahrerei mühsam, aber machbar. Heute kostet sie Nerven und Zeit. "Ich suche oft 20 bis 40 Minuten nach einem Parkplatz – mit Parkpickerl! Abends stadtauswärts geht gar nichts mehr, es staut sich nur." Um rechtzeitig im Geschäft zu stehen, fährt sie inzwischen 20 Minuten früher los.
Auch ihre Kunden leiden unter der Situation. Viele kommen mit dem Auto, weil sie danach gleich weiter zur Arbeit müssen. "Die sagen mir: ,Wir fahren schon eine halbe Stunde früher los, sonst finden wir keinen Platz.‘ Das ist purer Stress. Für eine Garage müsste man rund 300 Euro im Monat zahlen? Das sehe ich nicht ein." Für Gabriele ist das kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem. "Ganz Wien hat ein Verkehrsproblem. Pendler bringen der Stadt Geld, aber die Stadt pfeift auf uns. Autofahrern macht man das Leben absichtlich schwer."
Besonders bitter stößt ihr der Umbau in ihrem Grätzel auf. "Es heißt, man renaturiert alles, aber was ich sehe, ist Beton. Von Grün ist keine Spur. Alles wird für ein paar Radfahrer gemacht – und die Autofahrer zahlen drauf."
Für viele Kunden sei es inzwischen ein zusätzlicher Grund, weniger gerne in die Stadt zu fahren. "Die sind genervt, weil sie dauernd im Kreis fahren müssen, bis sie irgendwo stehen können. Manche überlegen es sich dreimal, ob sie das auf sich nehmen."
Als wäre der Verkehr nicht genug, kam auch der Personalmangel dazu. "Meine langjährige Mitarbeiterin geht Ende des Jahres in Pension. Seit zwei Jahren suche ich Ersatz. Aber die meisten wollen nur geringfügig arbeiten und zur Arbeitslosenunterstützung dazuverdienen. Meine jetzige Mitarbeiterin ist eine Perle – aber so jemanden findet man heute kaum noch."
Die Last, alles alleine zu stemmen, wurde für die 45-Jährige irgendwann zu groß. "Ich habe es versucht, aber wenn man jeden Tag gegen Stau, Parkplatznot und gleichzeitig Personalmangel ankämpfen muss, geht irgendwann die Kraft aus."
Trotz aller Probleme gab es für die Übernahme Interessenten. "Es haben sich etliche gemeldet – aber fast alle wollten einen Barbershop eröffnen. Das wollte ich auf keinen Fall." Am Ende gab es aber doch einen Lichtblick: "Zum Glück war darunter ein Einziger, der wieder einen klassischen Friseursalon weiterführen will."
Für Gabriele W. ist das zumindest ein Trost: "So bleibt die Tradition bestehen – auch wenn ich selbst nun loslassen muss."