Schock für einen schwerkranken Mann aus Niederösterreich: Nach Behandlungen im Wiener AKH soll für Dieter N. (55) nun Schluss sein. Grund sei sein Wohnort in Niederösterreich.
Es war ein Moment, der Dieter N. aus Brunn am Gebirge völlig aus der Bahn warf. Nach zahlreichen Behandlungen im Wiener AKH – darunter mehrere Operationen an Hals, Zunge und Stimmbändern sowie Chemotherapie und Bestrahlung – wurde dem 55-Jährigen laut "Krone" Ende November überraschend mitgeteilt, dass er dort keine weitere Nachsorge mehr bekommen solle – "Heute" berichtete hier.
"Sie sind ja Niederösterreicher. Da müssen Sie die Behandlung jetzt in Niederösterreich machen", soll ihm ein Arzt gesagt haben, berichtet der schwerkranke Mann gegenüber der "Kronen Zeitung".
Besonders hart trifft ihn das, weil er sich im AKH über Jahre hinweg bestens betreut gefühlt habe. "Man kannte meinen Namen und meine ganze Krankengeschichte", erzählt N. Doch statt Sicherheit begann für ihn eine zermürbende Spitals-Odyssee durch Niederösterreich.
In Mödling gebe es keine Onkologie, in Baden sei eine Aufnahme an der fehlenden HNO-Abteilung gescheitert – für seine Erkrankung unverzichtbar. Erst in Krems fand er schließlich medizinische Hilfe, auch weil er dort noch eine alte Wohnung besitzt.
Der Fall sorgt nun auch politisch für Wirbel. Niederösterreichs Landesrat Anton Kasser (ÖVP) kennt die Causa und kündigt rechtliche Schritte gegen Wien an. "Wir führen intensive Gespräche mit Wiens Stadtrat Peter Hacker und bereiten rechtliche Schritte gegen die Stadt Wien vor", sagt Kasser zur "Krone". Die Vorgehensweise sei "alles andere als patientenorientiert". Kasser betont: "Es soll sich jeder Patient aussuchen können, wo er sich behandeln lassen möchte."
Das AKH weist die Vorwürfe zurück. Gegenüber der "Kronen Zeitung" stellt das Spital klar, dass der Wohnort bei einer Akutversorgung keine Rolle spiele. Auch bei planbaren Behandlungen würden Patienten aus anderen Bundesländern "nicht grundsätzlich" abgewiesen.
Ziel sei es jedoch, dass Patienten möglichst in ihrem Heimatbundesland gut betreut werden – auch, um eine kontinuierliche Nachsorge sicherzustellen.
Der Vorfall ist hingegen auch für die nö. FPÖ ein No-Go: "Dass in Wien lebende Asylwerber in Wiener Spitälern besser behandelt werden als hart arbeitende Niederösterreicher, ist absolut nicht hinnehmbar. Viele nö. Landsleute arbeiten in der Bundeshauptstadt, zahlen Steuern und Abgaben und fliegen als Dank dafür aus den Kliniken. Die Wiener Vorgehensweise ist menschlich untragbar und schlicht und ergreifend rechts- und verfassungswidrig", schüttelt FPÖ Niederösterreich-Gesundheitssprecher und Landtagsabgeordneter Richard Punz über einen aktuellen Fall eines Brunner Patienten im Wiener AKH den Kopf und verweist dabei auf ein aktuelles NÖGUS-Gutachten.
Das Land NÖ lasse sich diesen Umgang mit nö. Landsleuten nicht mehr gefallen und prüfe jetzt etwaige rechtliche Möglichkeiten. "Auch die Bundesregierung, allen voran die rote Gesundheitsministerin Schumann ist jetzt in der Pflicht, für Klarheit bei ihrem Wiener Parteigenossen Ludwig zu sorgen. Wien muss auf den Boden der Rechtsstaatlichkeit zurückkehren und die bundesrechtlichen Vorgaben des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes einhalten", so Punz.
Auch VPNÖ-Klubobmann Kurt Hackl legt in der Debatte nach: "Unseren Landsleuten sind Landesgrenzen im Alltag egal. Das Wiener Umland ist für viele eine gemeinsame Lebensregion. Deshalb ist uns seit jeher die gute und enge Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn ein wichtiges Anliegen. Diese Partnerschaft wird aber aktuell auf eine harte Probe durch Wiens Stadtrat Hacker gestellt – es mehren sich die Berichte über die Abweisung von sogenannten Gastpatienten. Das ist eine Entwicklung, die für uns nicht hinnehmbar ist. Denn zum einen erwirtschaften mehr als 200.000 Landsleute, die ihre Arbeit in Wien haben, eine Wertschöpfung von knapp 20 Milliarden Euro. Das bringt der Stadt Wien jährlich mehr als 230 Millionen Euro an Kommunal- und U-Bahn-Steuer fürs Stadtbudget."
Weiter heißt es: "Darüber hinaus verzichtet Niederösterreich aus dem Finanzausgleich aber auch jedes Jahr auf 500 Millionen Euro, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten in Wien zu ermöglichen. Diesen Vertrag haben auch die Vertreter der Bundeshauptstadt unterschrieben. Das heißt: Niederösterreichische Patientinnen und Patienten dürfen in Wien nicht abgewiesen werden! Diese Einschätzung wird auch von einem Rechtsgutachten gestützt, ein solches Vorgehen ist grundsatzgesetz- und verfassungswidrig", so Klubobmann Kurt Hackl.
Patienten müssten unabhängig von ihrem österreichischen Wohnort versorgt werden – "so wie wir es in Niederösterreich vorleben. Auch bei uns werden viele Fälle aus dem benachbarten Oberösterreich, der Steiermark oder dem Burgenland versorgt, wenn es notwendig ist. Nicht der Meldezettel, sondern das Vorzeigen der E-Card sollte über eine Behandlung entscheiden. Unser Sozialversicherungssystem ist ein Solidarsystem und diese Solidarität gilt über Bundesländergrenzen hinweg. Unsere klare Position werden wir im NÖ Landtag mit einem Antrag Nachdruck verleihen".
"Wenn ein Krebskranker im Wiener AKH nach jahrelanger Behandlung plötzlich abgewiesen wird, nur weil er in Niederösterreich wohnt, zeigt das Hackers Herzlosigkeit", kritisiert auch der Landesgeschäftsführer der Volkspartei Niederösterreich, Matthias Zauner, den jüngsten Fall des abgewiesenen Patienten in Wien. "Hacker knallt in der Vorweihnachtszeit ausgerechnet einem niederösterreichischen Krebspatienten die Türe vor der Nase zu – offensichtlich hat der Stadtrat jede Menschlichkeit verloren."
Fälle wie dieser seien kein Einzelfall, sondern häufen sich auf Hackers Drängen in Wiener Spitälern. "Dass Peter Hacker den Spardruck der maroden Wiener Stadtfinanzen auf die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher abwälzen will, ist skandalös. Wenn ich dann noch höre, dass Wien seine Kapazitäten lieber ungenutzt lässt, anstatt Gastpatienten aufzunehmen, ist jede Grenze des politischen Taktierens überschritten", so Zauner weiter.
"Peter Hacker lässt tausende Patientinnen und Patienten im Stich, während wir in Niederösterreich nicht nach dem Meldezettel, sondern einfach nach der E-Card fragen. Das erwarten wir uns auch von der Stadt Wien, die im Herzen Niederösterreichs liegt – das sollte Peter Hacker endlich bewusst werden. Hoffentlich bringt das Christkind ja etwas Vernunft“, so Zauner.