Schwere Corona-Reaktionen

PIMS – Ursache von rätselhafter Kinderkrankheit geklärt

Mit Beginn der Corona-Pandemie zeigte sich ein neues Krankheitsbild bei Kindern: PIMS. Jetzt können Forscher erklären, was dahinter steckt.
Heute Life
18.03.2025, 21:52

Als die Corona-Pandemie vor fünf über die Welt kam, gab es vermehrte Berichte über ein rätselhaftes Entzündungssyndrom bei Kindern, das bald den Namen "Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome" (PIMS) bekam. Die Kinder entwickelten beispielsweise eine Herzschwäche, Hautausschläge und hohes Fieber. Um ein Organversagen zu verhindern, musste ihr Immunsystem im Krankenhaus zur Ruhe gebracht werden – oft sogar auf der Intensivstation. Die Ursache des Syndroms blieb jedoch ein Rätsel. Jetzt fanden Forscher der Berliner Charité und des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ) einen Zusammenhang mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV), wie sie in einer neuen Studie berichten.

PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) ist ein heftiger Entzündungsschock bei Kindern, der mehrere Wochen nach einer Corona-Infektion auftreten und lebensbedrohlich werden kann.

Epstein-Barr-Virus erwacht aus Ruhezustand

"Wir haben nun Hinweise darauf gefunden, dass (...) das Wiederaufflammen eines zweiten Erregers, des Epstein-Barr-Virus, für den Entzündungsschock verantwortlich ist. Vereinfacht gesagt erwacht es aus seinem Ruhezustand, weil das Immunsystem der Kinder durch die Corona-Infektion durcheinandergerät und die ruhende Infektion nicht mehr in Schach halten kann", erklärt Prof. Tilmann Kallinich, Leiter der Sektion Rheumatologie an der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin der Charité und einer der beiden leitenden Autoren der Studie.

Lebenslang im Körper

Das Epstein-Barr-Virus (EBV) ist bekannt als Erreger des "Pfeifferschen Drüsenfiebers", das mit grippeähnlichen Beschwerden einhergeht und teils viele Wochen der Genesung erfordert. Meist bleibt die Infektion jedoch unbemerkt, rund 90 Prozent der Menschen stecken sich im Laufe ihres Lebens mit dem Erreger an. "Selbst nach überstandener akuter Infektion ist das Virus jedoch noch nicht aus dem Körper entfernt. Es nistet sich in verschiedenen Zellen des Körpers ein und entkommt so der Immunabwehr. Auf diese Weise überdauert es im Menschen ein Leben lang. Es kann Jahre nach der ersten Infektion wieder aufflammen, beispielsweise wenn das Immunsystem geschwächt ist."

Für die Studie untersuchte es 145 Kinder im Alter zwischen 2 und 18 Jahren, die wegen PIMS in der Kinderklinik der Charité oder Krankenhäusern in Lyon (Frankreich), Neapel (Italien), Ankara (Türkei) oder Santiago (Chile) behandelt worden waren. Zum Vergleich zog es 105 Kinder heran, die ebenfalls eine Corona-Infektion durchgemacht, aber kein PIMS entwickelt hatten. Im Blut der Kinder mit PIMS fanden die Wissenschaftler Spuren des Epstein-Barr-Virus sowie Antikörper und große Mengen spezifischer Immunzellen gegen das Virus – ein Hinweis auf eine aktive Auseinandersetzung des Körpers mit dem Erreger.

Botenstoff TGFβ

Jedoch gelingt es den Immunzellen gelingt es nicht mehr, die, mit dem Epstein-Barr-Virus-infizierten Körperzellen abzutöten. Das liegt ungewöhnlich großen Mengen des Botenstoffs TGFβ (Transforming Growth Factor beta), die der Körper der Kinder infolge der Corona-Infektion produziert. TGFβ ist ein entzündungsdämpfendes Molekül, es hemmt die Funktion der Immunzellen und drosselt ihre Schlagkraft gegen das Epstein-Barr-Virus.

"Die Corona-Infektion setzt bei manchen Kindern ein sich hochschaukelndes System in Gang: Der Botenstoff TGFβ hindert die Immunzellen daran, das Epstein-Barr-Virus in Schach zu halten, das sich deshalb wieder vermehren kann. Daraufhin produziert der Körper mehr Immunzellen gegen das Virus, die aber weiter nicht funktionsfähig sind. Das gipfelt schließlich in einer extremen Entzündungsreaktion, die Organe schädigen und potenziell tödlich verlaufen kann", erklärt Dr. Mir-Farzin Mashreghi, Immunologe und stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums, der ebenfalls an der Charité forscht.

Parallelen zu Long Covid?

Die Entzündungskaskade lässt sich im Krankenhaus medikamentös gut durchbrechen, die allermeisten Kinder genesen nach PIMS. Bisher werden zur Behandlung von PIMS Entzündungshemmer wie Immunglobuline oder Kortison-Präparate eingesetzt. Möglicherweise sind die neuen Erkenntnisse aber auch für weitere Corona-bedingte Krankheitsbilder relevant, denn auch für Long Covid gibt es Hinweise, dass die Reaktivierung schlafender Viren eine Rolle spielt.

{title && {title} } red, {title && {title} } 18.03.2025, 21:52