"Wer sich als großer Patriot aufspielt, aber nicht einmal den Vornamen von Leopold Figl kennt, sollte die Außenpolitik den Profis überlassen. Herbert Kickl sollte angesichts seiner offensichtlichen Wissenslücken weniger Zeit mit Wutreden und mehr mit Geschichtsunterricht verbringen", donnert Generalsekretär der Volkspartei, Nico Marchetti, am Sonntag in Richtung der FPÖ.
Kickl hatte zuvor in einer Pressemitteilung heftig gegen Kanzler Christian Stocker und die EU-Volkspartei EVP ausgeteilt, über eine vermeintlich "sukzessiven Auflösung unserer Heimat Österreich in einem zentralistischen EU-Superstaat" gewettert. Stocker solle der "brandgefährlichen Kriegshetze seines Parteifreundes EVP-Chef Weber umgehend eine ganz klare Absage erteilen".
Dabei rief der Oberblaue die großen Namen der österreichischen Politikgeschichte an, deren Erbe von der Austro-Ampel "mit Füßen getreten" werde. Peinlich: Leopold Figl, der erste Bundeskanzler Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde in der FPÖ-Auflistung kurzerhand zu "Josef Figl".
„Leopold Figl hat die Unabhängigkeit Österreichs verhandelt und die Neutralität erreicht – Kickl kennt nicht einmal seinen Vornamen“Nico MarchettiGeneralsekretär der Volkspartei
"Figl hat als Bundeskanzler und Außenminister die Unabhängigkeit Österreichs maßgeblich mitverhandelt und die Neutralität ermöglicht – Werte, die Kickl und seine Partei gerne nach Belieben auslegen oder ignorieren, wenn es ihrer Agenda dient", ärgert sich Marchetti in seiner eigenen Pressemitteilung: "Das ist bezeichnend für eine Partei, die sich gerne als Bewahrerin österreichischer Werte geriert, aber in Wahrheit nicht einmal die Grundlagen unserer neueren Geschichte unfallfrei im Griff hat. Wenn Bundeskanzler Figl Herbert Kickl und seine FPÖ sehen könnte, würde er sich angewidert abwenden. Denn für ihn stand immer die Freiheit Österreichs an erster Stelle."
Die FPÖ reagierte kleinlaut: Exakt 42 Minuten und 45 Sekunden nach der ÖVP-Schelte verschickten die Freiheitlichen eine Korrektur ihrer ursprünglichen Aussendung.
Hintergrund der scharfen Auseinandersetzung war der Vorstoß von EVP-Chef Manfred Weber. Dieser hatte in einem Zeitungsinterview gesagt, dass "wir unser Denken in Europa jetzt auf Kriegswirtschaft umstellen" müssten, damit die geplante Aufrüstung schnell umgesetzt werden könne. Gemeint waren damit etwa beschleunigte Genehmigungsverfahren bei Rüstungsgütern, mehr Zusammenarbeit zwischen den europäischen Rüstungshersteller, oder auch Arbeit im Schichtsystem. Die EU müsse jedenfalls kreativ sein, denn "die Zeit drängt".
Am Sonntagvormittag antwortete FPÖ-Chef Herbert Kickl darauf: "Es reicht – Stocker hat Kriegshetzer Weber sofort in die Schranken zu weisen", so der Freiheitliche in einer Aussendung. "Schweigt Stocker jetzt, macht er sich weiter schuldig am fortgesetzten Verrat an den Interessen, am Wohl und der Sicherheit der Österreicher, an der mutwilligen Demontage des Erfolgsmodells der immerwährenden Neutralität und an Österreichs Souveränität". Der "Militarisierungswahn" der EU könne nur in eine "multiple Katastrophe" führen, behauptete der Freiheitliche.