Vor fast genau fünf Jahren befand sich Österreich im ersten Corona-Lockdown. Die damalige Regierungsspitze hat für den 16. März 2020 einen bundesweiten Shutdown beschlossen – die Republik stand für die nächsten Wochen quasi still.
Rudolf Anschober war erst zwei Monate vorher grüner Gesundheitsminister geworden. Nach hohen Zustimmungswerten zu Beginn der Pandemie ging es mit Anschobers Beliebtheit Ende 2020 rasch nach unten. Im April 2021 verkündete er schließlich wegen gesundheitlichen Problemen seinen Rücktritt.
Fünf Jahre später äußert er sich zu den damaligen Geschehnissen, deren Folgen noch bis heute spürbar sind, und zeigt sich durchaus selbstkritisch.
"Die allerschlechteste Maßnahme war aus meiner Sicht die fehlende Vorbereitung. Das war wirklich das größte Problem, das wir hatten", sagte der Ex-Gesundheitsminister im Ö1-Mittagsjournal. "Wir haben wochenlang gebracht, um die Struktur zu schaffen, dass wir mit dieser Pandemie umgehen können und überhaupt Maßnahmen umsetzen können. Es hat keinen Krisenstab gegeben, keinen Pandemieplan gegeben, es hat kein modernes Pandemiegesetz gegeben. Das war damals aus dem Jahr 1913."
Anschober habe den Eindruck, dass es unmöglich sei, "Corona-Leugner" zu überzeugen – allerdings sei es möglich, mit Maßnahmen-Kritikern zu reden und auch selbst einzugestehen, Fehler gemacht zu haben – "Ich habe auch nicht alles zu 100 Prozent richtig gemacht". Für Leugner brauche es eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Pandemie. "Wir müssen miteinander reden", fordert er. Beim gegenseitigen Vertrauen sei "viel kaputtgegangen".
Anschober blickte zurück auf den Beginn der Pandemie: So sei Herbert Kickl etwa die "Speerspitze" bei der Forderung eines Lockdowns gewesen. Damals hätten alle Parteien an einem Strang gezogen, dort müsste man wieder hin, so der Ex-Minister. Auch die Kooperation mit der ÖVP sei anfangs sehr gut gewesen. Anschließend sei eine Erschöpfung eingetreten und es habe Reibungen gegeben, weswegen man auch Fehler gemacht habe.
Dass die FPÖ mit einem Untersuchungsausschuss zur Corona-Politik liebäugelt, sieht der Ex-Gesundheitsminister kritisch. "Parteipolitik ist während einer Pandemie das Schlechteste, eine parteipolitische Aufarbeitung wird zu noch mehr Gräben in der Gesellschaft führen." Sollten die Nationalratsabgeordneten trotzdem einen U-Ausschuss einleiten, werde er selbstverständlich erscheinen und nach "bestem Wissen und Gewissen aussagen", so Anschober.
Aus seiner Sicht wäre ein Auftrag an die Europäische Gesundheitskontrollbehörde, um eine europaweite Aufarbeitung durchzuführen, sinnvoller. "Wir brauchen mehr Europa bei einer Pandemie, das ist keine nationale Angelegenheit."