Mit 1.200 freilebenden Bären zählt die Slowakei zu den Ländern mit der größten Bärenpopulation in Europa. Nach mehreren tödlichen Angriffen in den letzten Jahren gab die Regierung im April 350 "Problembären" zum Abschuss frei – also über ein Viertel der Population. Bis heute, also nach etwa einem Monat, wurden 23 Bären getötet.
Statt die Kadaver zu "verschwenden" sollte man sie besser essen, sorgte nun der populistische Umweltstaatssekretär Filip Kuffa mit einem ungewöhnlichen Vorschlag für Aufsehen: "Jedes erlegte Tier, das bestimmte Bedingungen erfüllt, werden wir zum Verzehr freigeben. Warum? Weil Bärenfleisch essbar ist", schrieb er auf Facebook.
Gegenüber der deutschen ARD erklärte er: "Die Zahl der Zwischenfälle steigt, mehr Menschen werden verletzt, die Sachschäden nehmen zu - sogar Unfälle mit Fahrzeugen sind häufiger geworden." Daher müsse die Population reduziert werden. Als jedoch vor sechs Monaten ein "Bärengulasch" auf einer Speisekarte eines Restaurants in Tatranská Štrba auftauchte, sorgte das landesweit für Schlagzeilen.
Bei schlecht verarbeitetem oder nicht ausreichend gegartem Fleisch besteht die Gefahr einer Infektion mit der parasitären Erkrankung Trichinellose. Diese Krankheit wird durch den Parasiten Trichinella spiralis verursacht, der in der Muskulatur des Bären vorkommt. Die Infektion äußert sich durch Fieber, Muskelschmerzen und Schwellungen im Gesicht und an den Augenlidern. Die schwerwiegendsten Komplikationen können Herzprobleme sein.
Da Braunbären gemäß Washingtoner Artenschutzübereinkommen grundsätzlich geschützt sind, wird für den Verkauf von Bärenfleisch ein Zertifikat des Umweltministeriums benötigt, dass bestätigt, dass das Tier legal geschossen wurde. Kuffa kündigte bereits an, den Jägern solche Zertifikate auszustellen. Damit mache der Staatssekretär "aus dem Umweltministerium eine Fleischhauerei", kritisierte die liberale Oppositionsabgeordnete Tamara Stohlova.
Dass mit 350 Braunbären über ein Viertel der geschätzten Population von 1.200 Tieren geschossen werden soll, sorgt naturgemäß für Kritik von Tier- und Umweltschützern. Abschüsse sind aufgrund des Artenschutzes eigentlich nur bei Bären erlaubt, die Menschen gefährden – und kein anderer Weg zur Konfliktbewältigung gefunden werden kann.
Da geht es um eine Hand voll Tiere pro Jahr. Von 350 "Problembären" kann hingegen keine Rede sein, so Greenpeace Slowakei, das die Abschusspläne als "absolut rücksichtslos" kritisierte. Die Regierung übergehe wissenschaftliche Erkenntnisse und vernachlässige Präventivmaßnahmen.
Premierminister Fico konterte: "Wir können nicht in einem Land leben, in dem die Menschen Angst haben, in die Wälder zu gehen", rechtfertigte er kürzlich den Abschussplan. Auch in Rumänien, wo bis zu 8.000 Bären leben sollen, waren aus dem selben Grund ebenfalls bereits 500 Bären zum Abschuss freigegeben worden.
Dennoch schienen sich gefährliche und zum Teil auch tödliche Vorfälle mit Bären in dem Karpatenland zuletzt zu häufen. Erst letzte Woche wurde ein 49-Jähriger auf einem Firmengelände von einer Bärin schwer verletzt – Staatssekretär Kuffa postete danach Bilder vom Tatort und der erfolgreichen Jagd auf den Bären.
Ende März starb ein 59-Jähriger in der Nähe seines Hauses, als er von einem Bär attackiert wurde – dieser Vorfall war es auch, der zur Ankündigung von 350 Bären durch die nationalistische Regierung führte. Doch auch das töten hunderter Tiere werde nur die Symptome und nicht die Wurzel des Problems beseitigen, mahnte Miroslava Ábelová von Greenpeace Slowakei im Gespräch mit der "ARD".
Der Grund sei, dass intensive Landwirtschaft und Zersiedelung die natürlichen Lebens- und Rückzugsräume der Bären schrumpfen ließe, während menschliche Siedlungen attraktive Nahrungsquellen darstellen würden. Greenpeace kündigte daher an, bei der EU-Kommission Beschwerde gegen die slowakischen Abschusspläne einzureichen.