Prozess in Innsbruck!

Frau verdurstete – Kein Gefängnis für Tochter und Enkel

Nach dem Tod einer 84-Jährigen mussten sich deren Tochter und Enkel in Innsbruck wegen Vernachlässigung vor Gericht verantworten.
Österreich Heute
04.11.2025, 12:26
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Am Dienstag hat am Landesgericht Innsbruck der Prozess gegen eine 59-jährige Osttirolerin und ihren 31-jährigen Sohn begonnen. Den beiden wird vorgeworfen, ihre 84-jährige Mutter bzw. Großmutter gequält oder vernachlässigt zu haben. Die Frau war am 18. Mai vergangenen Jahres nach einem Sturz gestorben. Beide Angeklagten bekannten sich "nicht schuldig".

Wie die "Kleine Zeitung" berichtet, konnte die Pensionistin nach dem Sturz nicht mehr selbstständig aufstehen. Laut Anklage lag sie eine Woche lang auf dem Küchenboden in ihren eigenen Ausscheidungen, bevor sie am 26. Mai verstarb. Die Angeklagten rechtfertigten sich damit, dass der Frau der Lebenswille gefehlt habe.

84-Jährige wollte nicht mehr aufstehen

"Sie hat zu mir gesagt, dass sie nicht mehr aufstehen möchte", erklärte der zweitangeklagte Enkel vor Gericht. Zudem habe sie nach dem Sturz über keine akuten Schmerzen geklagt. "Ich hörte einen Rumpler aus der Küche und bin dann hin", erzählte der 31-Jährige. Dort fand er seine Großmutter am Boden liegend. "Wir haben versucht, sie auf den Diwan zu legen, schafften das aber nicht." Schließlich holte seine Mutter eine Matratze, auf der die 84-Jährige dann längere Zeit lag.

Die 59-Jährige erklärte vor Gericht: "Sie hat gesagt, dass sie bald wieder rausgehen möchte." Ihr sei nicht aufgefallen, dass der "Lebensmut" ihrer Mutter gedämpft gewesen wäre. "Ich fragte meine Mutter nach dem Sturz, ob sie weh hätte, aber sie verneinte", so die Erstangeklagte. Auch die angebotene Hilfe "durch die Rettung" habe ihre Mutter abgelehnt. Als sie sie auf die Matratze gelegt habe, habe die Mutter gesagt, sie wolle "einfach schlafen" und man solle sie "in Ruhe lassen". "Ich habe ihr stets etwas zu trinken gegeben und sie versorgt", beteuerte die 59-Jährige. Allerdings gab sie zu, dass ihre Mutter "weniger als zuvor gegessen und getrunken" habe.

Frau hatte Kot an Körper und Händen

Die Staatsanwältin schilderte die Situation aus ihrer Sicht: "Die Frau lag zuerst auf einer Matratze, dann später nur mehr auf dem Küchenboden." Die 84-Jährige habe ihre Notdurft am Boden verrichten müssen. "Der hygienische Zustand war extrem." Die Frau habe "Kotbehaftungen an Körper und Händen gehabt", so die Anklägerin. Auch die Flüssigkeitszufuhr, die die Tochter gab, habe nicht gereicht: "Die Frau starb schließlich an Dehydrierung."

Die 84-Jährige lebte gemeinsam mit Tochter und Enkel in einem Haushalt. Die beiden waren ihre einzigen Betreuungspersonen. Da die Tat zum Tod der Frau geführt hat, drohen im Fall einer Verurteilung ein bis zehn Jahre Haft. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Angehörige hätten Hilfe holen müssen

Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Innsbruck, Hansjörg Mayr, der "Tiroler Tageszeitung" erklärte, sei "für jeden Menschen in so einer Situation klar ersichtlich, dass die Frau sterben wird. Sie hätten Hilfe holen müssen. Die Angehörigen wären verpflichtet gewesen, ärztliche Hilfe zu holen und dem Leiden entgegenzuwirken, dem diese Frau ausgesetzt war." Das (nicht rechtskräftige) Urteil: Je fünf Monate bedingte Haft für Mutter und Enkel. Die 59-Jährige muss zudem 960 Euro Geldstrafe zahlen, der 31-Jährige 1.200 Euro.

Bereits im Oktober sorgte ein ähnlich tragischer Fall in Kärnten für Aufsehen. Am Landesgericht Klagenfurt standen Verantwortliche eines Pflegeheims wegen grob fahrlässiger Tötung vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, den Tod eines an Alzheimer-Demenz erkrankten Mannes verschuldet zu haben. Der Mann hatte im Juli aus einem Kanister mit Spülmittel getrunken und war zwölf Tage später an den Folgen gestorben. Der Prozess wurde vertagt. Auch hier gilt die Unschuldsvermutung.

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