Bei einem russischen Drohnenangriff im Norden der Ukraine sind mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen. Unter den Opfern des Angriffs in der Stadt Pryluky sei ein einjähriges Kind, sagte Regionalgouverneur Wjatscheslaw Tschaus am Donnerstag. Sechs weitere Menschen seien verletzt in Krankenhäuser gebracht worden. Insgesamt sechs Schahed-Drohnen hätten in der Nacht Wohngebiete in Pryluky angegriffen und schwere Schäden an Häusern verursacht, sagte Tschaus.
In der ostukrainischen Stadt Charkiw wurden bei einem weiteren russischen Drohnenangriff nach Angaben von Militärgouverneur Oleh Synjehubow 17 Menschen verletzt, darunter Kinder, eine schwangere Frau und eine 93-Jährige. "Indem der Feind Angriffe startet, während die Menschen in ihren Häusern schlafen, bestätigt er einmal mehr seine Taktik des heimtückischen Terrors", schrieb Synjehubow bei Telegram.
Derweil meldete der Gouverneur des russisch besetzten Teils von Cherson, Wladimir Saldo, massive Stromausfälle nach Beschuss. In der teilweise von Russland besetzten Region im Süden der Ukraine habe russischer Beschuss am späten Mittwochabend zu einem Stromausfall in einem Umspannwerk geführt. Tausende Haushalte seien ohne Strom. Wegen der Schäden an dem Umspannwerk Nowotrojizke waren demnach 120.000 Menschen "ohne Licht und Wasser", schrieb Saldo bei Telegram.
Unterdessen teilte ein hochrangiger ukrainischer Armeevertreter mit, dass Russland nach jüngsten ukrainischen Geheimdienst-Erkenntnissen größere Offensiven vorbereite - teilweise reichten die Planungen bis ins kommende Jahr. Die geplanten Vorstöße zielten unter anderem darauf ab, der Ukraine den Zugang zum Schwarzen Meer abzuschneiden, sagte der Vize-Präsidialamtsleiter und Oberst Pawlo Palisa am Mittwoch in Washington.
Palisa hatte bis Ende vergangenen Jahres noch an der Front gekämpft, bevor ihn der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ins Präsidialamt holte. Er äußerte sich vor Journalisten, nachdem er in der US-Hauptstadt Abgeordnete getroffen und sie über die Lage an der Front informiert hatte. Demnach hat Russland sich zum Ziel gesetzt, bis Ende September die Regionen Donezk und Luhansk komplett einzunehmen. Bis Ende des Jahres will Russland demnach zudem eine Pufferzone entlang der ukrainisch-russischen Grenze einrichten.
Moskaus Pläne erstrecken sich Palisas Erkenntnissen zufolge bis 2026. Im kommenden Jahr wolle Russland "den gesamten Teil der Ukraine besetzen, der am linken Ufer des Flusses Dnipro liegt", sagte er. Ziel sei es, "die Regionen Odessa und Mykolajiw zu besetzen und der Ukraine den Zugang zum Schwarzen Meer abzuschneiden".
Am Mittwochabend hatte der russische Staatschef Wladimir Putin bei einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump Vergeltung für ukrainische Drohnenangriffe auf Militärflugplätze in Russland angekündigt. Dabei wurden nach ukrainischen Angaben am Wochenende mehr als 40 Kampfflugzeuge zerstört.
Angesichts der aktuellen Angriffe zeigte sich Selenskyj erbost. Er forderte die Verbündeten auf, Stärke gegen Russland zu zeigen. Am späten Mittwochabend teilte Selenskyj mit, dass Russland seit Beginn des Jahres rund 27.700 Fliegerbomben, mehr als 20.000 Drohnen und 700 Raketen auf die Ukraine geschossen habe.
"Wenn die Mächtigen Putin nicht stoppen, bedeutet das, dass sie die Verantwortung mit ihm teilen. Und wenn sie ihn stoppen wollen, es aber nicht können, dann wird Putin sie nicht mehr als mächtig ansehen", betonte der ukrainische Präsident. Auch die Berichte über einen geplanten Großangriff Russlands ließ Selenskyj nicht unkommentiert.
"Das bedeutet, dass Russland mit jedem neuen Angriff, mit jeder Verzögerung der Diplomatie der ganzen Welt den Stinkefinger zeigt – all denen, die noch zögern, den Druck auf das Land zu erhöhen", so Selenskyj.