Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow (Linke) sorgt mit einer ungewöhnlichen Forderung für Wirbel: Er will eine neue deutsche Nationalhymne und schlägt vor, dass auch über die Farben der Bundesflagge abgestimmt wird. Ramelow meint, viele Menschen hätten ein ungutes Gefühl bei diesen nationalen Symbolen.
"Ich kenne viele Ostdeutsche, die die Nationalhymne aus vielerlei Gründen nicht mitsingen", sagte er der "Rheinischen Post" am Freitag. Auch mit der schwarz-rot-goldenen Fahne gebe es ein "Fremdeln".
Als Alternative zur Hymne "Einigkeit und Recht und Freiheit" schlägt Ramelow die "Kinderhymne" von Bertolt Brecht vor. "Die Kinderhymne hat einen wunderbaren Text. Über die Passage, dass ein besseres Deutschland blühe, könnten wir Zugang zu einer gesamtdeutschen Hymne finden, die wir alle zusammen mit Freude singen könnten", so Ramelow. Er selbst singe die aktuelle Hymne aber "mit Begeisterung" mit, weil er sie einordnen könne.
Gleichzeitig fordert Ramelow auch eine Volksabstimmung über die Flagge der Bundesrepublik Deutschland. "Ich weiß, dass Schwarz-rot-gold die Absage an totalitäre Strukturen ist. Viele fremdeln aber auch mit der Nationalfahne", erklärte der frühere thüringische Ministerpräsident.
Für seinen Vorschlag sieht Ramelow einen Weg, der im Grundgesetz verankert ist. "Ich würde das alles mit Artikel 146 zur Abstimmung stellen wollen, der ja besagt, dass das Grundgesetz seine Gültigkeit verliert, sobald eine neue Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen wurde", sagte er.
Artikel 146 wurde damals extra ins Grundgesetz geschrieben, um die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands möglich zu machen. Er besagt, dass das Grundgesetz seine Gültigkeit verliert, sobald eine neue Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen wurde.
Bei der Wiedervereinigung 1990 kam dieser Artikel aber nicht zum Zug. Stattdessen trat die DDR der Bundesrepublik und damit auch dem Grundgesetz bei – das geschah über Artikel 23 des Grundgesetzes.
Die deutsche Hymne "Einigkeit und Recht und Freiheit" stammt aus der Feder von Heinrich Hoffmann von Fallersleben, die Melodie wurde von Joseph Haydn komponiert. Schon in der Weimarer Republik wurde das Lied erstmals zur Nationalhymne. Seit 1952 ist die dritte Strophe offiziell die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland.
Die Nationalfarben Schwarz-rot-gold stehen seit dem 19. Jahrhundert für ein freies Deutschland. Im Revolutionsjahr 1848 bestimmte die Frankfurter Nationalversammlung Schwarz-rot-gold zur Fahne des Deutschen Bundes. Im Grundgesetz steht klar: "Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold." Diese Farben sind ein Zeichen gegen die Farben Schwarz-weiß-rot, die im Kaiserreich und im nationalsozialistischen Deutschland verwendet wurden.
Die AfD ließ mit Kritik nicht lange auf sich warten. Sie bezeichnete Ramelows Vorschlag als "realitätsfern und skurril". Notwendig sei "die Stärkung der direkten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung – und kein überflüssiges Sommerlochgerede eines offenbar gelangweilten Herrn Ramelow", erklärte AfD-Vizechef Stephan Brandner.