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Rollstuhl-Ass: "Ich möchte nicht gehen können"

Heute Redaktion
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Tennisprofi Nico Langmann beim Training. Seit 20 Jahren ist er querschnittgelähmt. "Mein Leben ist cool und wertvoll."
Tennisprofi Nico Langmann beim Training. Seit 20 Jahren ist er querschnittgelähmt. "Mein Leben ist cool und wertvoll."
Bild: Helmut Graf

Nico Langmann sitzt im Rollstuhl und schlagt mit 150 km/h auf. Der 22-jahrige Wiener ist seit 20 Jahren querschnittgelahmt. 2020 will der Rollstuhl-Tennisprofi auch mit Hilfe der Familie Thiem groß zuschlagen.

"Ich mochte nicht gehen konnen. Ich wurde mein ganzes Leben verlieren. Es ist so wie es ist wegen dem Rollstuhl. Ich bin Tennisprofi, mein Leben ist schon."

Nico Langmanns braune Augen glanzen: "Ich weiß, das klingt jetzt arg, aber es ist so", erzahlt er "heute.at" in der Kantine in der Südstadt. Rostbraten steht am Speiseplan, davor gibt Ganslsuppe. Kein klassisches Sportleressen. Hier im Süden von Wien trainieren aber die besten Tennisspieler im Land, abgeshen von Dominic Thiem, der sich in Miami und Australien auf die neue Saison vorbereitete. An diesem Donnerstag sind es Dennis Novak, Sebastian Ofner, Jürgen Melzer, Jurij Rodionov – und Nico Langmann.

"In Paris mit Dominic aufschlagen"

Nico will 2020 zuschlagen – mit Wolfgang Thiem als neuen Trainer. Sein Traum: "In Paris mit Dominic Thiem aufschlagen – mit dem gleichen Trainer."

Vater Thiem ist seit sechs Monaten der Trainer von Nico. Die Technik stellte er komplett um. "Ich behandle ihn und scheiße ihn zusammen wie jeden anderen auch. Das taugt ihm", erzählt Thiem senior "heute.at". "Wir trainieren Tennis – und nicht Rollstuhl- Tennis."

Nico schwärmt von seiner neuen Vorhand-Peitsche. "Ich habe vor ein paar Monaten die Vorhand noch mit extremen Griff hoch reingespielt. Jetzt ist der Schlag sicher einer der besten im Rollstuhl-Tennis."

Seine Mission ist klar: Bei den Grand-Slam-Turnieren dabei sein. Dort schlägt man in Melbourne, Paris, London und New York neben den Stars auf, gibt es gutes Geld zu verdienen. Es qualifizieren sicher aber nur die besten acht Rollstuhl-Tennisspieler dafür. Der Turniersieger kassiert 35.000 Euro.

Der Unfall auf der A1

Auf der A1 in Oberosterreich schleuderte Nicos Leben fruh in eine andere Richtung. Er ist nicht einmal zwei Jahre alt, sitzt im Auto seiner Mutter, als ein Auto unbeleuchtet auf der Autobahn steht. Beim Unfall ziehen sich Nicos Wirbel auseinander. Er bricht sich den Oberschenkel. Als die angelegte Schiene entfernt wird, spurt Nico seine Beine nicht.

Mit vier kriegt Nico den ersten Rollstuhl. Im Cafe druckt ihm ein paar Jahre später eine Oma zehn Euro in die Hand. "Weil ich arm fur sie war. Ich habe an ein neues Lego-Set gedacht. Eigentlich eine Katastrophe!"

"Meine Kindheit war gepragt von Therapien – funf, sechs Stunden am Tag", erinnert er sich. Das Ziel: Gehen konnen! Die Eltern geben alles fur diesen Traum. Nico auch, doch er leidet, hat wenig Zeit fur Freunde. In der Pubertat realisiert er:

"Ein Leben mit Behinderung kann cool sein. Die Frage 'Was ware wenn?' habe ich mir seitdem nie gestellt. Ich kenne es nicht anders. Mitleid ist ein Teufelskreis. Kriegst du es geschenkt, bemitleidest du dich nur selbst. Das fuhrt zu nichts."

Das erste Treffen mit Thiem

Heute ist er Tennisprofi, spielt 25 Turniere im Jahr auf der ganzen Welt. Der großte Unterschied zu Dominic Thiem, der ein guter Freund ist: "Der Erfolg", grinst er.

Dominic Thiem lernte er 2016 kennen beim Sandplatzturnier in Rom. "Ich war ein Fanboy, hab ihn um ein Foto gebeten." Der Superstar interessiert sich sofort fur Osterreichs besten Rollstuhl-Tennisspieler. "Schick mir das Foto", hat er gesagt. "Wohin?" meinte ich. Sie tauschen Nummern aus, heute

sind sie Freunde, genießen gemeinsam Champions-League- Abende. "Dominic ist der einzige, der mir taglich schreibt. Ihn interessieren meine Ergebnisse. Als er Roger Federer bei den ATP Finals schlug, bekam ich 30 Minuten nach dem Match eine SMS, wie es mir beim Pimperl-Turnier ging. Das ehrt mich."

"Niemand kann Doppelkinn vor mir verbergen"

Vor 1.000 Fans hat Nico bisher gespielt, 3.000 € war sein hochstes Preisgeld. "1.700 € musste ich Steuern zahlen. Mit Hotel- und Trainerkosten machte ich trotzdem ein Minus."

Die Rollstuhl-Tour sei professionell, gefeiert wird aber auch. Bei der Players Party sturzen dann Spieler aus dem Rollstuhl.

Nico will nach oben, sieht das Leben, aber so weit er zuruckden-ken kann, von unten. Sein Humor ist Spitze: "Niemand kann sein Doppelkinn vor mir verbergen."

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    Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
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    gepa-pictures.com