"Anno" ist zurück — und zwar dort, wo Legionäre noch nicht in Selfies posierten: im antiken Rom. "Anno 117: Pax Romana" ist der neueste Versuch von Ubisoft Mainz, das komplexe Städtebau-Genre zu verjüngen und zugleich die Serie in eine ältere, geschichtsträchtige Kulisse zu zwingen. Dabei versucht das Spiel, zwischen gemütlichem Aufbauvergnügen und strategischer Tiefe zu balancieren — mit überraschend vielen modernen Komfortfunktionen, die Veteranen der Reihe gewohntes Kopfzerbrechen abnehmen sollen. Hinter dem Spiel steht Ubisoft Mainz, der Entwickler, der schon frühere "Anno"-Titel verantwortet hat.
Veröffentlicht wird "Anno 117: Pax Romana" von Ubisoft; der offizielle Release liegt auf dem 13. November 2025, und das Spiel erscheint gleichzeitig für PC (Windows) sowie für PlayStation 5 und Xbox Series X|S. Mit diesem Schritt positioniert sich "Anno" erstmals als gleichzeitig für Konsole und PC geplante, große Veröffentlichung. Schon die ersten Spielminuten sitzen: Latium, die Hauptstadtregion, wirkt lebendig. Kleine Details — Straßenhändler, Kinder, Hunde — geben den Szenen Alltag und Wärme. Die Grafik setzt weniger auf grelle Effekte als auf handwerkliche Detailarbeit.
Texturen, Beleuchtung und die Inszenierung von Plätzen und Bauwerken sorgen für ein angenehmes, fast schon filmisches Flanieren durch die eigene Stadt. Der Soundtrack untermalt diesen Eindruck mit zurückhaltenden, aber passgenauen Motiven; die Sprachaufnahmen der Figuren und Charaktere verleihen der Präsentation zusätzliche Nähe, auch wenn nicht jede Dialogzeile literarische Höhen erklimmt. In "Anno 117" schlüpft der Spieler erstmals entweder in ein Mitglied des Römischen Reichs in Latium oder eines Mitglieds des Keltischen Königreichs in Albion – und dann auch noch dazu, ob man treu untergeben sei oder rebellieren will.
Die Kampagne führt strukturierter dann durch die Mechaniken als frühere "Anno"-Teile; die Story punktet mit historischen Bezügen, Wendungen – darunter dramatische Ereignisse wie Machtwechsel – und persönlichen Entscheidungen, die nicht nur kosmetische, sondern auch spielmechanische Konsequenzen haben. Diese narrative Einbettung hilft, ambitionierte Pläne emotional zu unterfüttern — man kümmert sich nicht nur um Zahlen in Tabellen, sondern um das Schicksal einer Stadt und eines Reichs.
"Anno" bleibt dennoch "Anno": Zerbrechliche Ökonomien, Produktionsketten und die ständige Suche nach dem nächsten Rohstoff sind das Herzstück. Neu ist jedoch ein deutlich stromlinienförmigerer Einstieg — die Menüs sind zugänglicher, Tooltips und Hilfen wurden erweitert, und Qualität-of-Life-Features erleichtern das Planen größerer Siedlungen. Gleichzeitig hat das Spiel an der Komplexität nicht komplett gespart: Wer die höheren Schwierigkeitsgrade anpeilt, baut weiter lange Produktionsketten und verfeinert Handelsbeziehungen. Eingängig für Neueinsteiger, genügend Tiefgang für Hardcore-Aufbauer — das ist ganz neu.
Wer die Serie kennt, wird auch gleich eine Reihe frischer Elemente bemerken: Gebäude lassen sich diagonal platzieren, Planungsmodus-Optionen erleichtern das Layout, und ein neues System erlaubt das Trockenlegen von Sumpfgebieten, wodurch zuvor unbebaubare Flächen nutzbar werden. Militärisch bringt "Anno 117" taktische Land- und Seeschlachten — kein Kriegs-Epos, aber genug, um strategische Tiefe zu liefern, ohne das Spiel in ein reines Kampfspiel zu verwandeln. Dazu kommen modulare Schiffsbauten und ein dreigleisiger Forschungsbaum (Wirtschaft, Bürgerschaft, Militär), was die Diversität der Spielstile erhöht.
Das Setting setzt stärker auf kulturelle Diversität als frühere Titel: Spieler balancieren römische und keltische Einflüsse, bauen Provinzen in Latium oder wagen Expansion nach Albion mit seinen sumpfigen Regionen. Außerdem wurde ein religionsähnliches System integriert, bei dem mehrere Götter unterschiedliche Boni bringen können — das wirkt wie eine subtile Metaebene, die Bau- und Politikentscheidungen noch gewichtiger macht. Dieses System besteht nicht nur aus Zahlen, sondern beeinflusst das tägliche Leben der Bürger, ihre Zufriedenheit und damit die Produktivität. Die Menüführung ist konsolen- wie controllerfreundlich gestaltet — ein klarer Hinweis darauf, dass Ubisoft mit diesem "Anno" die Konsolenbasis gezielt erreichen will.
Die Planungsmodus-Tools, eine verbesserte Anzeige von Arbeitsbereichen und die Möglichkeit, Gebäude vor dem Bau zu verschieben, machen das Planen zu einem weniger frustrierenden, eleganten Prozess. Man merkt, dass viel Playtesting in die Onboarding-Phase gesteckt wurde, damit Neulinge nicht an der Komplexität scheitern. Die Kampagne liefert eine lineare, aber durchdachte Einführung in die Systeme und erzählt genug, um zu motivieren. Die Sandbox-Modi, inklusive Multiplayer-Optionen, bieten Raum für klassisches "Anno"-Spielverhalten: Langfristige Expansion, Wirtschaftsimperien und diplomatisches Manövrieren. Wer auf epische, grandiose Ökonomieschlachten wie in früheren Teilen steht, wird die Sandbox lieben.
Das Spiel schafft einen schmalen Grat zwischen Zugänglichkeit und Anspruch: Anfänger werden nicht ins kalte Wasser geschmissen, fortgeschrittene Spieler finden aber dennoch zahlreiche Stellschrauben zum Optimieren. Der Spieldesign-Trick besteht darin, dass Standard-Spielrunden weniger Mikromanagement fordern, als man es aus manchem Vorgänger gewohnt ist, aber auf höheren Schwierigkeitsgraden oder bei ambitionierten Großprojekten zeigt "Anno 117" wieder seine Zähne. Multiplayer-Matches mit bis zu vier Spielern sind möglich, Ubisoft hat zudem Mod-Support angekündigt und erleichtert, dass Community-Inhalte integriert werden. Dieses Potenzial für Community-Erlebnisse kann dem Spiel über Jahre Lebenszeit schenken.
Vor dem offiziellen Release gab es vereinzelte Berichte über kleine Bugs und Ungereimtheiten, zum Beispiel seltsames KI-Verhalten oder seltene Performance-Ausreißer, doch im Großen und Ganzen wirkt das Produkt zum Start sehr gut poliert. Patch-Bereitschaft und schnelle Kommunikation seitens Ubisoft deuten darauf hin, dass auftauchende Probleme zügig adressiert werden sollen. Spieler mit älteren Rechnern sollten jedoch die Systemanforderungen prüfen; die Einbindung auf Konsolen signalisiert zwar Optimierung, ersetzt aber nicht das klassische Hardware-Tuning auf dem PC. Ubisoft hat zudem einen Accessibility-Spotlight für "Anno 117" herausgebracht: Optionen zur Anpassung von Eingaben, UI und Texteinstellungen.
Das Balancing zwischen Wirtschaft, Bevölkerungszufriedenheit und Militär ist solide — oftmals entsteht befriedigender Flow, wenn sich Produktionsketten einpendeln und die Stadt zu wachsen beginnt. Kritikpunkte bleiben in einzelnen Bereichen: Manche Ressourcen fühlen sich zu sehr wie Schalter an – plötzlich wird etwas knapp, dann gibt es dies wieder im Überfluss –, und einige Interaktionsdialoge des NPC-Systems könnten inhaltlich stärker ausgearbeitet sein. Die Landkämpfe, so gut sie systemisch passen, erreichen nicht die taktische Tiefe, die man von spezialisierten Strategiespielen kennt — eher ein taktisches Sahnehäubchen als ein vollwertiges Schlachtfeld.
Durch Sandbox-Modi, Multiplayer und Mod-Unterstützung besitzt "Anno 117: Pax Romana" aber ein hohes Langzeitpotenzial. Die verschiedenen Startregionen, Entscheidungen in der Kampagne und die Religion/Buff-Mechaniken erzeugen unterschiedliche Spielweisen. Wer sich in den Aufbau verliebt, wird immer wieder neue Städte planen und alte Optimierungen infrage stellen — genau das, was eine gute Aufbau-Simulation auszeichnet. "Anno 117: Pax Romana" setzt eindeutig weniger auf radikale Innovation als auf sinnvolle Evolution. Die Spielmechanik fühlt sich vertraut an, erhält aber genug Neuerungen, um frische Inspiration zu liefern. Fans von "Anno 1800" mögen da nur den einen oder anderen Verzicht an Komplexität beklagen.
Trotz vieler Stärken gibt es Schattenseiten: Timing und Gewichtung mancher Story-Passagen könnten besser sein, einige KI-Momente wirken noch holprig, und ambitionierte Spieler könnten die land- und seekriegstechnischen Möglichkeiten als flach empfinden. Außerdem ist die Frage offen, wie schnell weiterer Content oder DLCs die Community überzeugen können — ein Thema, das in der "Anno"-Historie schon öfter hitzig diskutiert wurde. Klar ist aber: "Anno 117: Pax Romana" ist ein gelungener Neuanfang in altbekannter Verpackung: charmant, zugänglich und mit genug Tiefe, um Langzeitspieler zu fesseln.
Wer komplexe, aber verständliche Städtebausysteme sucht, findet hier ein pralles Paket an Werkzeugen und Ideen. Hardcore-Strategen, die in Kämpfen ihre größte Freude finden, könnten etwas zu kurz kommen — doch als Gesamtpaket bietet das Spiel sowohl historischen Flair als auch ruhigen, süchtig machenden Aufbau. Für Neulinge ist es eine ideale Einstiegsmöglichkeit; für Veteranen ein verlockender, vielleicht sogar revolutionärer Nachfolger. In nüchterner Boulevard-Sprache: "Anno 117" ist ein wohl kalkulierter Schritt, der der Serie neuen Schwung verleiht und vielleicht der beste Titel der Serien-Geschichte ist. Optik, Narrative und neue Mechaniken schaffen eine Atmosphäre, die man kaum abschütteln kann — gleichzeitig bleibt das Spiel fair gegenüber Neueinsteigern. Es ist das perfekte Spiel für gemütliche Abende mit langfristigem Suchtpotenzial und eine Empfehlung für jeden "Anno"-Fan.