Das Sperma eines Mannes mit einer seltenen, krebsauslösenden Genmutation wurde zur Zeugung von mindestens 67 Kindern verwendet – zehn von ihnen erkrankten seither an Krebs, wie es in einem Bericht des "Guardian" heißt.
Julie Paulli Budtz, Sprecherin der Europäischen Samenbank, zeigt sich tief betroffen. Der Spender sei sorgfältig untersucht worden, jedoch sei es "wissenschaftlich schlicht nicht möglich, krankheitsverursachende Mutationen im Genom einer Person zu erkennen, wenn man nicht weiß, wonach man sucht".
Unabhängig voneinander kontaktierten zwei Familien ihre jeweilige Kinderwunschklinik, nachdem ihre Kinder an Krebs erkrankt waren, der mit einer seltenen genetischen Variante in Verbindung stehen könnte.
Die Europäische Samenbank, die das Sperma geliefert hatte, bestätigte daraufhin, dass die Genvariante im TP53-Gen in einem Teil der Spermien des Spenders vorhanden war.
Die Samenspende erfolgte im Jahr 2008, damals war die Variante laut dem Guardian nicht als krebsverursachend bekannt. Der Spender selbst gilt als gesund. Laboranalysen legen jedoch nahe, dass die Mutation das Li-Fraumeni-Syndrom auslösen kann. Dabei handelt es sich um eine der schwerwiegendsten erblichen Krebserkrankungen.
Zeitgleich untersuchten Genetik- und Kinderabteilungen in mehreren europäischen Ländern ähnliche Fälle. Insgesamt wurden 67 Kinder aus 46 Familien in acht Ländern getestet. Bei 23 Kindern wurde die Mutation festgestellt, zehn von ihnen erkrankten an Krebs – darunter Fälle von Leukämie und Non-Hodgkin-Lymphom. Alle stammen gemäß der European Sperm Bank vom selben Spender ab. Es handelt sich aber nur um eine ungefähre Zahl, die genaue wird aus Datenschutzgründen nicht genannt.
Ärzte empfehlen den betroffenen Kindern mit der Risikovariante regelmäßig Ganzkörper-MRTs sowie MRT-Untersuchungen des Gehirns durchführen zu lassen. Im Erwachsenenalter kommen zusätzlich Brust-MRTs und Ultraschalluntersuchungen des Bauchraums hinzu.
Experten warnen bereits seit längerer Zeit vor sozialen und psychologischen Risiken, wenn das Sperma eines einzelnen Spenders zur Zeugung einer großen Zahl von Kindern in verschiedenen Ländern verwendet wird.
"Wir brauchen eine europäische Obergrenze für die Anzahl von Geburten oder Familien pro Spender", sagt Dr. Edwige Kasper, Biologin am Universitätsklinikum Rouen, gegenüber dem "Guardian". Die Europäische Samenbank hat bereits reagiert und freiwillig ein Limit von 75 Familien pro Spender eingeführt.