Lkw im Inland billiger

Schweizer Bahn streicht Gütersparte zusammen

Anders als die ÖBB fährt die Schweizer Bahn im Gütersegment seit Jahren hohe Verluste ein – ein radikales Sparpaket soll das ändern.
Nick Wolfinger
28.05.2025, 13:14
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Seit Jahren fährt die Gütersparte der Schweizer Bahn für den Inlandsverkehr, SBB Cargo, Verluste ein. Im Vorjahr stieg der Verlust auf 74 Millionen Franken an – ein neuer Höchstwert. 490 Millionen Franken betrugen die Verluste in den letzten 10 Jahren insgesamt. SBB-Güterverkehrschef Alexander Muhm hat sich daher zum Ziel gesetzt, diesem Trend ein Ende zu setzen – mit radikalen Einschnitten und massiven Preiserhöhungen.

Unternehmer empört: "Unglaubliche Arroganz"

Bei einem Treffen von Muhm mit Vertretern der Schweizer Industrie (Holcim, Nestle u.a.) kam es im Dezember zum Eklat. Muhm hatte bereits Preiserhöhungen von 20 Prozent angekündigt, woraufhin mehrere Unternehmen drohten, ihre Verträge mit der SBB zu streichen. Das Treffen, das eine Aussprache hätte sein sollen, eskalierte, als Muhm alle Einwände der Unternehmer teils forsch zur Seite wischte, wie die NZZ kürzlich enthüllte. "Friss oder stirb" lautete sinngemäß die Devise seitens der SBB. Die SBB habe hier eine "unglaubliche Arroganz" an den Tag gelegt, wird ein anwesender Politiker, der vermitteln wollte, zitiert.

Kunden kündigen Verträge

Das Ergebnis: Die große Einzelhandels-Genossenschaft Migros kündigte ihre Tiefkühltransporte. Weitere Unternehmen dürften ihre Verträge ebenfalls auslaufen lassen, wenn die Bahntransporte nach den Preiserhöhungen nicht mehr konkurrenzfähig sind.

8 von 10 Verladeterminals schließen

Jetzt folgte der nächste Paukenschlag: Die SBB wird 8 ihrer 10 Verladeterminals für den Kombinierten Verkehr (KV). Im KV werden Container zunächst per LKW zur Bahn gebracht, dann auf die Schiene zum Zielort transportiert und dort erneut auf einen LKW umgeladen. Dieses Geschäft ist in der Schweiz extrem unrentabel: Bei nur 18 Millionen Franken Umsatz (2024) machte SBB Cargo 12 Millionen Franken Verlust. Mit der Schließung der Terminals gehen auch 65 Arbeitsplätze verloren (die jedoch vielfach andernorts im Konzern gebraucht werden können).

Droht der Schweiz jetzt Lkw-Lawine?

Der Schweiz droht nun dennoch keine LKW-Lawine. Laut SBB bedeuten die Streichungen 70 Lastwagenfahrten zusätzlich pro Tag. Aufgrund der Kleinräumigkeit der Schweiz lohne sich das zweimalige Verladen von Containern im Inlandsverkehr einfach nicht, so der Tenor. Hier ist die Straße schneller – und billiger.

Zur Einordnung: Im internationalen Verkehr, vor allem auf der Nord-Süd-Achse zwischen Frankreich, Deutschland und Italien, läuft es deutlich besser – aber auch hier gibt es kleine Verluste. Weiters gibt es noch den klassischen Einzelwagenverkehr, der jedoch ebenfalls defizitär ist.

Österreich holt auf

Trotz allem ist der Anteil der Gütertransporte auf der Schiene in der Schweiz mit 39 % höher als in Österreich (30 %) – aber eben mit Verlusten, während die Gütersparte der ÖBB, Rail Cargo, international breiter aufgestellt ist und bei drei Mal so viel Transportleistung (420.000 Züge mit 79,9 Mio. Tonnen im Jahr 2024 im Vergleich zu 25 Mio. Tonnen bei SBB Cargo) in einem durchschnittlichen Jahr auch Gewinne einfährt.

In Österreich plant man zudem, mit Investitionen den Anteil der Frachttransporte auf der Schiene bis 2040 auf 40 % zu erhöhen. Aktuell noch laufende Projekte wie der Semmering-Basistunnel (Fertigstellung 2030), Koralmtunnel (Dezember 2025) und Brenner-Basistunnel sind zur Erreichung dieses Ziels entscheiden.

Auch Schweiz plant Ausbau

Als Selbstaufgabe will man die Einsparungen im Güterverkehr dennoch nicht sehen. Er wolle "Güter dort auf die Bahn bringen, wo es sinnvoll ist", erklärte Muhm in der NZZ und verwies darauf, dass es nicht fair sei, unrentable Gütertransporte für Privatunternehmen mit Steuergeldern querzufinanzieren.

Langfristig möchte SBB Cargo den kombinierten Verkehr wieder ausbauen – wenn die nötigen Schienenkapazitäten auf der Ost-West-Achse in den nächsten 10 Jahren ausgebaut sind und es die Marktlage zulässt. "Es ist auch denkbar, dass wir den kombinierten Verkehr komplett einstellen", wollte Muhm aber keine Variante ausschließen.

Fokus auf Transit

Unterm Strich liegt der Fokus von SBB Cargo im Inland nicht auf der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene – man will hier einfach das Defizit loswerden. Im grenzüberschreitenden Transitverkehr sind hingegen keine Einsparungen geplant. Hier leidet das Geschäft jedoch unter Kapazitätsengpässen auf deutscher Seite.

Etwas, das auch in Österreich den Nutzen des noch in Bau befindlichen Brenner-Basistunnels massiv einschränken wird, solange auf deutscher Seite die Zulaufstrecken nicht ausgebaut sind.

{title && {title} } NW, {title && {title} } Akt. 28.05.2025, 13:37, 28.05.2025, 13:14
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