Urmiasee

See ist weg – jetzt macht weißer Wind Menschen krank

Der einst größte Salzsee Asiens ist fast komplett verschwunden. Zurück bleibt eine lebensfeindliche Salzwüste.
27.09.2025, 08:30
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Der Urmiasee im Norden Irans ist fast vollständig ausgetrocknet. Einst war er der größte Salzsee Asiens – rund zehnmal so groß wie der Bodensee. Heute ist nur noch eine salzverkrustete Wüste übrig. Tourismus, Fischerei und Landwirtschaft sind zusammengebrochen. Wo früher Tausende Flamingos lebten, sieht man jetzt nur noch Staub. Das Kaspische Meer ist zwar viel größer, gilt jedoch als Binnenmeer und nicht als klassischer Salzsee.

Der Umweltwissenschaftler Sebastian Transiskus von der Universität Augsburg hat sieben Jahre lang zum See geforscht und war mehrfach vor Ort. Gegenüber der "Bild" sagt er: "Nachts konnten die Anwohner den Wellen lauschen, heute sehen sie nur noch Salz, Staub und Wüste, und die Sonne brennt runter."

"Weißer Wind" bedroht die Gesundheit

Die Ursache sieht Transiskus in der massiven Übernutzung der Wasserressourcen. In der Region gebe es zwischen 70.000 und 80.000 illegale Brunnen, landesweit gar über eine Million. Jedes Jahr würden nach Schätzungen rund 43 Millionen Kubikmeter Wasser mehr verbraucht, als sich auf natürliche Weise erneuern kann. Hauptverbraucher sei die Landwirtschaft, die 88 Prozent des Wassers benötige, aber nur rund zehn bis zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitrage.

Mit dem Verschwinden des Wassers kämen auch gesundheitliche Probleme. Das Brunnenwasser sei stark versalzen und könne zu Magen- und Nierenschäden führen. Wer ein Auto hat, fahre mit Kanistern in die Berge, um sauberes Wasser zu holen. Zusätzlich verbreite sich mit dem Wind eine gefährliche Staubschicht. Die Bewohner nennen das Phänomen den "weißen Wind".

Die Schwächsten und Ärmsten müssen bleiben

Transiskus warnt: "Salzwinde enthalten nicht nur Salz, sondern auch giftige Stoffe wie Schwermetallrückstände aus Landwirtschaft und Industrie. Die winzigen Teilchen sind als Feinstaub in der Luft, reizen Lunge, Haut und Augen, können Herzkrankheiten auslösen und sogar Krebs fördern." Wenn sich der Staub auf Feldern niederlegt, werde der Boden unfruchtbar, Bäume vertrocknen. Besonders betroffen seien etwa Mandelbäume im Osten des Sees.

Im September 2025 ist der See nahezu komplett verschwunden.
Nasa

In vielen Dörfern hätten bis zu 80 Prozent der Menschen die Region verlassen. Zurück blieben oft Alte und Arme, die nicht wegkönnen oder keine neue Existenz fänden.

Der See gilt als verloren

Viele Bauern hätten inzwischen von wasserintensivem Obstbau auf salztolerantere Pflanzen wie Pistazien umgestellt. Doch selbst diese Landwirtschaft wirke mickrig, wie Transiskus beobachtete. Die wirtschaftlichen Perspektiven für die Region sind düster.

Die iranische Regierung habe in der Vergangenheit zwar Wiederbelebungsprojekte angekündigt, doch vieles verlief im Sande. Laut Transiskus ist der See nicht mehr zu retten: "Es wird zwar immer mal wieder Regenphasen geben, in denen er sich wieder ein bisschen füllt. Aber spätestens im Sommer wird er dann wieder austrocknen."

Ein Symbol des Anthropozäns

Für den Forscher ist der Urmiasee ein Symbol für das Anthropozän, also das Zeitalter des Menschen. An diesem See komme alles zusammen, das man nirgendwo so stark sehe: politisches Versagen, Wasserknappheit, Gesundheitsschäden, Kollaps für Landwirtschaft und Tourismus, und die daraus folgende Migration.

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