Science

So geläufig ist Sexismus in unserer Alltagssprache

Die Sprachlernplattform Babbel hat die Deutschen zur Nutzung und ihrem Verständnis von Begriffen befragt, die Geschlechterstereotype widerspiegeln.

Sabine Primes
Teilen
Powerfrau, Diva, Junggeselle oder Nerd : Viele verwenden diese Worte, ohne zu wissen, dass sie negativ konnotiert sind.
Powerfrau, Diva, Junggeselle oder Nerd : Viele verwenden diese Worte, ohne zu wissen, dass sie negativ konnotiert sind.
Getty Images/iStockphoto

Hausfrau, Nerd, Working Mom oder Womanizer: Jede und jeder von uns kennt diese Begriffe – oder viel mehr Bezeichnungen – und nutzt sie in der Alltagssprache. Doch wer stellt sich dabei ernsthaft die Frage, wieso wir diese Wörter benutzen und was sie bedeuten? 

Dieser Problematik hat sich die Sprachlernplattform "Babbel" angenommen und eine Umfrage unter 1.002 Teilnehmern in Deutschland im Alter von 18 bis 75 Jahren durchgeführt. Zeitraum: 14.-21.02.2022. "Einmal eingeprägt, ist es schwierig, sich von stereotyper Sprache zu befreien oder sie zu erkennen. Ein wichtiger Schritt ist es daher, auf Missstände aufmerksam zu machen, unsere Sprache kritisch zu analysieren und Gesprochenes und Geschriebenes stets zu reflektieren", erklärt Babbel in einer Aussendung. 

Kluft zwischen Selbstwahrnehmung und realem Sprachgebrauch

Wie wir über Frauen und Männer reden, macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn wir den Spieß einmal umdrehen und uns umgekehrten Sexismus anschauen: Man denke an Worte, die beschreiben, dass jemand alleinstehend ist – für Männer wird gerne "Bachelor" oder "Junggeselle" verwendet, für Frauen gibt es nur das deutlich negativer konnotierte Wort "Jungfer".

Rund 61 Prozent der Deutschen geben an, sexistische Wortwahl in ihrer Sprache grundsätzlich zu vermeiden. Jedoch gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen der vermeintlich kritischen Selbstwahrnehmung stereotyper Wörter und ihrer tatsächlichen Nutzung. Denn Begriffe wie "Hausfrau", das ein einseitiges und sehr traditionelles Rollenbild der Frau beschreibt, wie "Working Mom" oder die ambivalenten Worte "Diva" und "Powerfrau", werden von vielen der Befragten nicht nur häufig genutzt, sondern gleichzeitig tendenziell als positiv besetzt bewertet.

So finden etwa 91 Prozent derjenigen, die das Wort nutzen, dass "Powerfrau" positiv ist. Das Wort "Hausfrau" wird von 77 Prozent der Befragten genutzt und von 38 Prozent von ihnen ebenfalls als positiv konnotiert eingestuft. Weitere häufig benutzte stereotype Wörter sind etwa Diva (50 Prozent), Zicke (67 Prozent) oder Nerd (41 Prozent), die in der Tendenz negativ bewertet werden.

Bedeutung von sexistischen Wörtern nicht hinterfragt

Doch nicht nur der tatsächliche Gebrauch von Stereotypen steht in Widerspruch zur Selbstwahrnehmung: Weiterhin zeigt die Umfrage, dass die Mehrheit der Befragten unreflektiert Begriffe und Labels nutzt. Trotz relativ häufigem Gebrauch werden problematische Wörter nicht hinterfragt, denn nicht einmal 10 Prozent (9,7 Prozent) interessieren sich für die Herkunft von sexistischen Wörtern wie zum Beispiel "Zicke" oder "Hysterikerin". "Wenn wir den historischen Kontext von Wörtern und ihre Konnotation nicht in Frage stellen, erkennen wir oft nicht die innewohnende Abwertung, die dahinter steht. Benutzen wir diese Wörter unreflektiert, tragen wir bewusst oder unbewusst dazu bei, dass Sexismus Teil unseres Sprachgebrauchs ist und bleibt", sagt Cornelia Lahmann, Sprachexpertin und Didactics Project Managerin bei Babbel.

"Nicht jeder ist sich dessen bewusst, dass es sich bei dem (Schimpf-)Wort 'Zicke' um eine abwertende Tier-Metapher handelt. Abstammend vom Althochdeutschen Wort 'zikkin', das soviel wie junge Ziege oder junger Bock bedeutet. So wird das Wort vor allem für Mädchen und Frauen gebraucht, die als störrisch oder eigensinnig erscheinen, ähnlich den einer Ziege nachgesagten Eigenschaften".

Wortwahl durch das eigene Umfeld beeinflusst

Außerdem bestätigen die Ergebnisse, dass die eigene Wortwahl in vielen Fällen durch das unmittelbare Umfeld beeinflusst wird und umgekehrt. Die meisten Befragten nutzen, ihrer eigenen Schätzung nach, die problematischen Begriffe etwa so häufig wie Menschen in ihrem eigenen Umfeld. So geben beispielsweise rund 45 Prozent an, dass Menschen in ihrem Umfeld das Wort "Diva" benutzen; das sagen 68 Prozent etwa auch für den Begriff "Zicke". Das sei nicht überraschend, sagt die Sprachexpertin: "Zum einen ist man dadurch einer bestimmten Wortwahl häufiger ausgesetzt und somit dazu geneigt, diese zu übernehmen. Zum anderen haben wir es mit einer Form von Gruppendynamik zu tun. Eine unbewusste Neigung von Menschen, die eigene Gruppe und ihr Verhalten zu favorisieren und auch was den Sprachgebrauch betrifft, nicht zu hinterfragen bzw. zu übernehmen."

1/3
Gehe zur Galerie
    Die russische OnlyFans-Userin Bunnie Mommy hat aufgrund der Sanktionen über 8.000 Dollar verloren.
    Die russische OnlyFans-Userin Bunnie Mommy hat aufgrund der Sanktionen über 8.000 Dollar verloren.

    Frauen sind sich Sexismus bewusster

    Wenig überraschend ist vielleicht, dass Frauen sich sexistischer Wortwahl bewusster sind und diese grundsätzlich zu vermeiden versuchen. Das geben immerhin zwei Drittel (66 Prozent) der Frauen an. Auch sehen sich Frauen eher als Männer in der Rolle, Andere auf sexistische Sprache hinzuweisen: Das tun 39 Prozent der Frauen und lediglich 28 Prozent der Männer. Darüber hinaus geben 39 Prozent der Männer zu, dass ihnen eine bewusste, sexismusfreie Wortwahl egal ist. Bei den Frauen interessiert sich rund ein Viertel (26 Prozent) nicht dafür.

    Allerdings geben nur 55 Prozent der Männer an, sexistische Sprache in ihrem Alltag zu vermeiden. Die Umfrage zeigt, dass Männer problematische Labels in der Tendenz unreflektierter verwenden, insbesondere, wenn es sich um Bezeichnungen für Frauen handelt. So sagen 39 Prozent der Männer, dass etwa das Wort "Hausfrau" positiv konnotiert ist, dasselbe empfinden hingegen nur 24 Prozent der Frauen. Besonders deutlich wird der Unterschied beim Begriff "Powerfrau", der von 69 Prozent der männlichen Teilnehmer und lediglich von 19 Prozent der Frauen als positiv eingestuft wird.

    Unterschiede zwischen Alt und Jung

    Auch beim Blick auf die Generationen zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Selbstwahrnehmung und tatsächlichem Sprachgebrauch. So geben 71 Prozent der über 60-Jährigen an, sexistische Sprache grundsätzlich zu vermeiden. Bei den unter 30-Jährigen sagen das rund zwei Drittel (65 Prozent).

    65 Prozent der unter 30-Jährigen schreiben dem Wort "Diva" eine negative Bedeutung zu, bei den ab 60-Jährigen sind es nur 34 Prozent. Die "Hausfrau" empfinden 23 Prozent der Jüngeren als negativ, aber nur 7,3 Prozent der älteren Generation. 

    Doch es zeigt sich auch eine positive Tendenz: Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) möchte in Zukunft mehr auf ihre Wortwahl achten und sexistische Wörter vermeiden. Ein Drittel (33 Prozent) weist sogar andere Menschen auf sexistischen Sprachgebrauch hin.