Gesundheit

So schlimm ist es auf den Intensivstationen wirklich

Die Zahl der Spitalspatienten wird in den nächsten zwei Wochen weiter steigen, sagt Intensivmediziner Arschang Valipour von der Klinik Floridsdorf.

Christine Scharfetter
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Die Situation auf den Intensivstationen spitzt sich zu, ist aber noch nicht an ihren Grenzen, sagt Intensivmediziner Arschang Valipour von der Klinik Floridsdorf.
Die Situation auf den Intensivstationen spitzt sich zu, ist aber noch nicht an ihren Grenzen, sagt Intensivmediziner Arschang Valipour von der Klinik Floridsdorf.
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

In der Klinik Floridsdorf werden derzeit 60 Patienten mit einer Corona-Infektion behandelt, zehn davon intensivmedizinisch. "Keiner von ihnen ist geimpft", sagt Intensivmediziner Arschang Valipour im Gespräch mit der "Heute". Natürlich komme es auch vor, dass ein Geimpfter auf der Intensivstation lande. Das sei jedoch selten und wenn, dann würde es sich bei den maximal 20 Prozent Geimpften um Personen mit Vorerkrankungen handeln. "Gesunde Geimpfte haben wir auf der Intensiv noch nicht gesehen."

Aufgrund der weiterhin steigenden Zahl der Neuinfektionen rechnet auch Valipour mit einem deutlichen Anstieg bei den Hospitalisierungen. Vor allem auf der Intensivstation sei man bereit. In der Regel würden Covid-Patienten erst zwei bis vier Wochen nach der Spitze der Infektionszahlen ins Spital kommen, nach ein bis zwei weiteren Woche würde sich das auch auf die Intensivbelegung auswirken. "Dort befindet sich das Nadelöhr, weil Covid-Patienten nicht nur ein oder zwei Tage eine intensivmedizinische Behandlung benötigen, sondern mehrere Wochen."

Auf Kosten jener, die dringend eine OP benötigen

Obwohl der Intensivmediziner und seine Kollegen derzeit noch nicht "aus dem letzten Loch pfeifen", warnt der Leiter der Covid-Station in der Klinik Floridsdorf bereits jetzt: "Die vielen Covid-Patienten gehen auf Kosten der Bevölkerung. Operationen und Eingriffe müssen früher oder später verschoben werden." Grundsätzlich sei das Wiener Gesundheitssystem gut durchdacht und geplant, aber mehr Corona-Patienten würde damit eben auch bedeuten, dass andere Patienten warten müssten. "Steigende Corona-Zahlen bedeuten Abstriche in anderen Bereichen." Nur so könne man das Gesundheitssystem aufrecht erhalten.

"Operationen und Eingriffe müssen verschoben werden."

Dennoch macht sich die Dauerbelastung nach bald zwei Jahren und den doch sehr anspruchsvollen, aufwendigen Arbeitsbedingungen, die durch die extremen Schutzmaßnahmen noch einmal erschwert werden, bei der Belegschaft bemerkbar.

Einhalten, kontrollieren, Auffrischungsimpfung

Die weitere Entwicklung der Infektionszahlen hänge stark von den Impfungen, Maßnahmen, aber vor allem vom Bewusstsein der Bevölkerung und der Eigendisziplin ab. "Aus rein medizinischer Sicht ist ein Lockdown die effektivste Maßnahme, dabei darf man allerdings den gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekt nicht vergessen." Deshalb sehe der Intensivmediziner in der 2G-Regel durchaus einen Sinn: "Die Maßnahme ist vernünftig und sicher effektiv, insofern man sich konsequent daran hält und auch kontrolliert. Dann denke ich, dass wir eine gute Chance haben, über die vierte Welle zu kommen."

Noch viel wichtiger ist in den Augen des Lungenfacharztes allerdings der dritte Stich. Derzeit hätten sich noch viel zu wenige Leute den Booster geholt. "Wir wissen, dass der Schutz der Impfung nach sechs Monaten stark abgenommen hat, deshalb ist der Drittstich unheimlich wichtig." Gleiches gelte auch für Genesene. "Auch sie brauchen in der vierten Welle die Auffrischungsimpfung für ausreichend Schutz."